Rezension zu Was wirkt in der Psychotherapie? (PDF-E-Book)

Swiss Archives of Neurology, Psychiatry and Psychotherapy vom 28.03.2018

Rezension von Silke Bachmann

Insgesamt acht AutorInnen stellen Ergebnisse der »Praxisstudie ambulante Psychotherapie zu 10 verschiedenen Verfahren« vor. Wer den Untertitel auf dem Cover liest, denkt möglicherweise: Diese naturalistische Studie, in der die Realität psychotherapeutischer Behandlungen hinsichtlich Prozess und Outcome untersucht wird, hätte es schon längst geben müssen.

Die Studie entstand im Anschluss an die »Schweizer Charta für Psychotherapie«. Sie wurde zwischen 2007 und 2012 unter Beteiligung zweier Universitäten durchgeführt. Die Anzahl der evaluierten Verfahren ist der Tatsache geschuldet, dass in der Schweiz weitaus mehr Psychotherapieverfahren zugelassen sind als in anderen Ländern. Es beteiligten sich 362 Patientinnen und Patienten (vorwiegend mit Diagnosen affektiver oder Angsterkrankungen) und 81 Therapeutinnen und Therapeuten, die eine Weiterbildung in einem der folgenden Verfahren abgeschlossen hatten: Transaktions- und Existenzanalyse, Logotherapie, Prozessorientierte Psychologie, Gestalttherapie, Bioenergetik, Integrative Körper-, Kunst-, Analytische und Psychoanalytische Psychotherapie. Die Patientinnen und Patienten wurden vor Beginn, nach Abschluss und nach einem
Jahr katamnestisch untersucht und füllten regelmäßig Fragebögen aus. In die Auswertungen gingen weiterhin Audioaufnahmen von Therapiestunden ein.

In 12 Kapiteln stellen die Autoren Studiendesign, Prozedere, deskriptive Daten, Interventionstechniken u.a. dar. Sie diskutieren Ergebnisse zur Bedeutung von Schulenzugehörigkeit, Konzepttreue, Prädiktoren, zeitlichen Verlaufsaspekten und Genderfragen.
Aufgrund von Mehrebenenanalysen kommen sie zu dem Schluss, dass signifikante Effekte im Prä-/Post-Vergleich nur hinsichtlich globaler psychosozialer Beeinträchtigung und Symptombelastung bei Therapiebeginn zu verzeichnen sind. Therapeutenbezogene Prädiktoren konnten nur in Abhängigkeit zum Schweregrad der Erkrankung bestimmt werden, auch das Geschlecht der Therapeutinnen und Therapeuten spielte lediglich im Zusammenhang mit Prozessvariablen eine Rolle. Interessant sind weiter die Befunde zum Einsatz und schulenfremder Interventionen.

Limitationen stellen die Nicht-Beteiligung der Romandie und vor allem der Nicht-Einbezug von systemisch- und kognitiv verhaltenstherapeutisch (kVT)-orientierten Therapeuten dar. Allerdings belegt eine Gegenüberstellung mit der Literatur zu Effekten von kVT eine vergleichbar gute Wirksamkeit der hier untersuchten Verfahren. – Leider überzeugt die Qualität von Abbildungen und Tabellen nicht.
Zusammenfassend wird eine umfangreiche Studie dargestellt, die sich sehr nah an das therapeutische Geschehen heranwagt und einen Kontrapunkt darstellt zum Versuch, evidenzbasierte Medizin auf die Psychotherapie anzuwenden. Die Lektüre empfiehlt sich sowohl für Therapeuten als auch für Forschende.
sanp.ch

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