Rezension zu Laudato Si’ (PDF-E-Book)
Eulenfisch Literatur – Literaturmagazin des Bistums Limburg, Ausgabe 1/2018
Rezension von Georg Horntrich
Die Enzyklika Laudato Si’ richtet sich an alle Menschen guten
Willens und regt den Dialog mit den Wissenschaften an. Der
vorliegende Sammelband folgt dieser Einladung. Er sammelt 25
Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen und ordnet sie in die
Cluster »Umwelt und Klima«, »Technik, Wissenschaft und Ökonomie«,
»Gesellschaft und Konsum«, »Kultur, Religion und Psychologie« sowie
»Transfer« ein. Während der Lektüre vermisst der Rezensent den
Bereich »Politik und Rechtswissenschaften«, weil beide Disziplinen
eine entscheidende Rolle im Wandel von Strukturen spielen. Dennoch
lohnt die Lektüre der vielen Artikel, die einzeln gelesen werden
können, denn sie zeigen die Vielfalt der Perspektiven, die der
Enzyklika überwiegend, zuweilen kritisch, zustimmen und ihre Themen
in den jeweiligen Fachgebieten konkretisieren. Das ist neu, denn
bisher gab es auf katholische Lehrtexte, wenn sie überhaupt
wahrgenommen wurden, aus den Wissenschaften Kritik und Ablehnung.
Laudato Si’ aber hat einen ganz anderen Sprachstil, wie Wolfgang
Beutin in einem der drei einleitenden Artikel darlegt, der
insbesondere jenen empfohlen sei, die mit der Sprach- und
Textgattung von Enzykliken nicht vertraut sind. Ebenso erleichtert
die ausführliche Einleitung des Herausgebers die Übersicht über die
Beiträge.
Im Abschnitt »Umwelt und Klima« beschreibt der Ozeanograph Martin
Visbeck die Bedeutung der Meere für das Klima und die Schäden durch
Übernutzung, den Missbrauch der Ozeane als Müllkippe sowie die
Einleitung von landwirtschaftlichen Chemikalien. Dazu passt die
Analyse der anthropogenen Stoffströme der Agrarwissenschaftlerin
Christine Rösch zu Strategien zur nachhaltigen Gestaltung der
Stoffströme. Für den Schutz der Meere bedarf es einer globalen
Governance unter dem Dach der UNO.
Im Cluster »Technik, Wissenschaft und Ökonomie« klärt Andreas Beyer
zunächst das Verhältnis zwischen Natur- und Geisteswissenschaften
und problematisiert den Zusammenhang zwischen Überbevölkerung und
Umweltzerstörung, wobei er die Haltung der katholischen Kirche zur
Geburtenkontrolle kritisiert. Leider spricht er die entscheidende
Rolle der Bildung insbesondere der Frauen nicht an. Unverständnis
und Ablehnung prägt den längsten Artikel des Betriebswirtschaftlers
Manfred Becker, der in einem verengten Wirtschaftsverständnis
verhaftet bleibt und eher eine Apologie des Marktes und der BWL
bietet, jedoch problematische Folgen ausblendet. Das Problem der
Externalisierung taucht im gesamten Cluster nicht auf, obwohl es
als Hauptproblem des Konfliktes zwischen Umwelt und Wirtschaft in
der Umweltökonomie fest verankert ist. Wohltuend ist der daran
anschließende Beitrag des Volkswirtes Johannes Schmidt, der den
Begriff der Nachhaltigkeit im Drei-Säulen-Modell von Ökonomie,
Soziales und Ökologie darlegt, auf mögliche Zielkonflikte eingeht
und sie auflöst. Er stimmt der Analyse der Enzyklika zu, dass
soziale und ökologische Aspekte nicht sinnvoll zu trennen sind,
Fragen der Gerechtigkeit bzw. der Verteilung sind seinem Ansatz
nicht fremd.
Die Beiträge im Cluster »Gesellschaft und Konsum« schließen auf
einer anderen Ebene an, wenn Armin Grunwald der Verantwortung der
Konsumenten und deren Verstrickung in fremdbestimmten Strukturen
nachgeht und eine verteilte Verantwortung von Konsumenten sieht,
die zugleich als Bürger für die Gestaltung der Rahmenbedingungen
mitverantwortlich sind. Michael Opielka zeigt die Bedeutung der
Religion für die Wertproblematik auf, während Hans Peter Klein die
problematischen Folgen einer Ökonomisierung wie Privatisierung
aller Lebensbereiche darlegt.
In dem sechs Artikel umfassenden Cluster »Kultur, Religion und
Psychologie« sieht der katholische Theologe Elmar Nass in der
Enzyklika ein neues Paradigma, welches die Spiritualität für
Sozialethik fruchtbar macht. Sollte der Graben zwischen Einsicht
und Tun überbrückt werden, dann darf man wohl von einer Innovation
für die heutigen wirtschafts- und sozialethischen Diskurse
sprechen, die zu Recht als Strukturenethik sich von der
Individualethik abheben. Spiritualität und Engagement wären damit
als politische Praxis zu verstehen. – Einen weiteren
Paradigmenwechsel sieht Christoph Bals in der Abkehr von der
Herrschaft des Menschen hin zu »Geschwisterlichkeit im gemeinsamen
Haus« und findet über die Rolle des Gemeineigentums zu politischen
Forderungen.
Unter der Überschrift »Transfer« sind die Beiträge von Ulf Hahne
und Anja Maritneit hervorzuheben: Während der eine
Raumnutzungsmuster analysiert und konkrete
Veränderungsmöglichkeiten aufzeigt, beschreibt die andere die
Bedeutung der Ernährung für Klima und Gerechtigkeit sowie
regionaler und globaler Vernetzung.
Fazit: Zu empfehlen ist der Sammelband für Religions-, Ethik-,
Wirtschafts- und Politiklehrer und darüber hinaus engagierten
Gruppen nicht nur in katholischen Gemeinden.
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