Rezension zu Die fremde Seele ist ein dunkler Wald (PDF-E-Book)

Dr. med. Mabuse, Nr. 232, 43. Jahrgang, März/April 2018

Rezension von Andrea Schiff

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einem im deutschsprachigen Raum noch weitgehend unbeforschten Thema: Migration und Demenz, hier insbesondere mit der Situation von Familien mit Migrationshintergrund bei vorliegender Demenz. Dieses Thema wird in der Zukunft von erheblicher Relevanz sein, da die Menschen, die in der ersten sogenannten Gastarbeitergeneration nach Deutschland kamen, inzwischen alt werden und der Anteil an Menschen mit Demenz steigen wird.

Einige Projekte beschäftigen sich aktuell mit diesem Thema, so beispielsweise das Forschungsprojekt OPEN (Interkulturelle Öffnung der Pflegeberatung), durchgeführt vom Hessischen Institut für Pflegeforschung, oder auch das bundesweit von der Robert Bosch Stiftung durchgeführte Forschungsprojekt DeMigranz, das die Angebotsstruktur für Familien mit Migration und Demenz untersucht und eine Vernetzung anstrebt.

Dieses recht kleine Buch gibt eine Übersicht zu Methodik und Ergebnissen des Forschungsberichtes, in dessen Mittelpunkt folgende Untersuchungsfragen fokussiert wurden:

• Wie wird Demenz in Familien mit Migrationshintergrund verstanden?
• Wie sieht der Umgang mit Demenz aus und wie werden die Betroffenen gepflegt?
• Welche kulturellen, familialen, traditionellen Orientierungen wirken sich aus?
• Welche Kenntnisse über ambulante und institutionelle Dienstleistungen gibt es?
• Welche unterstützenden, kultursensiblen Angebote und Dienstleistungen werden gebraucht?

Zunächst wird die methodische Vorgehensweise beschrieben. Es wurden 22 qualitative personenzentrierte Interviews mit pflegenden Angehörigen (Einzelpersonen, Familien sowie kleinere Gruppen) sowie vier Interviews mit Expertinnen in Deutschland durchgeführt. Ergänzend (und kontrastierend) gab es eine Feldstudie mit acht Interviews mit pflegenden Angehörigen in der türkischen Stadt Izmir. Fokussierte Interviewpartner waren europäische Migrantinnen, die als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen waren, Familien mit türkischem oder mit russlanddeutschem Migrationshintergrund. So ist auch der Titel des Buchs »Die fremde Seele ist ein dunkler Wald« ein russisches Zitat aus einem der Interviews, das im Rahmen der Studie der Forschungsgruppe um Gronemeyer durchgeführt wurde.

In der Ergebnisdarstellung, die mit vielen Ankerzitaten belegt wird und so einen direkten Zugang zu der Perspektive der pflegenden Angehörigen ermöglicht, wird beispielsweise thematisiert, wie wichtig Zuwendung, Fürsorge und Wärme sind. Ebenso wird die Bedeutung von Religion im Kontext der Erkrankung dargestellt. Weiterhin werden Erfahrungen mit Dienstleistungen, etwa die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MDK), familiäre Zuständigkeiten und Veränderungen durch den Generationenwechsel erörtert. Deutlich wird durchweg die besondere Verantwortung der Familie – »Wir packen das allein« –, insbesondere von Frauen. Im Anhang findet sich schließlich ergänzend eine Auswahl an Interviews.

Die Bedeutung dieser Untersuchung ist als hoch einzuschätzen. Gleichwohl fehlen detaillierte methodische Hinweise, zum Beispiel zum Feldzugang oder zur Auswertungsmethode. Da die Stärke der Erkenntnisse unmittelbar vom methodischen Vorgehen abhängt, wären hier genaue Angaben sehr sinnvoll gewesen, zumal das schmale (fast möchte man sagen zierliche) Buch dafür durchaus Raum gelassen hätte.

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