Rezension zu Frauenheilkunde mit Leib und Seele
Rundbrief der DGPFG, Nr. 54, 2/2017
Rezension von Heribert Kentenich
Eine Rezension zu schreiben, ist immer eine subjektive
Herausforderung. Steht man der Autorin oder dem Autor skeptisch
gegenüber, so wird man immer einiges finden, um zu kritisieren oder
sogar zu »mäkeln«. Schätzt man die Autorin oder den Autor, dann
kann die Rezension sehr schnell in »Lobhudelei« enden. Ich schätze
Claudia sehr: Also ein Versuch:
Claudia Schumann gibt eine sehr persönliche Sicht ihrer Arbeit als
psychosomatisch orientierte Frauenärztin wieder. Inhaltlich findet
man alle Konstellationen, die Diagnostik und Therapie und den
Ärztin-Patientin-Kontakt widerspiegeln, sei es im Bereich der
Geburtshilfe, der Gynäkologie, der Endokrinologie und des
Kinderwunsches mit allen Aspekten der interpersonellen Beziehung,
aber auch des medizinischen Hintergrundes.
Die Autorin lässt nachvollziehbar erfahren, was der Beruf an
Freude, Belastung, Erschöpfung, Bindung, Herausforderung,
Gewissheit, Überforderung, Dankbarkeit, Genugtuung, Ungewissheit,
Angst mit sich bringt.
Immer wieder geht es um die Unmöglichkeit, den Bedürfnissen der
Frauen, die Hilfe und Unterstützung erwarten, gerecht zu werden. Es
ist aber auch die Genugtuung zu erspüren, es letztlich doch zu
schaffen.
Sehr ansprechend sind die wiedergegebenen Redewendungen und Zitate,
die für mich sehr plastisch waren, und bei denen ich mich selbst
oft in meiner Hilflosigkeit, aber auch Freude wiederfinden
konnte.
Das Buch ist sehr aktuell, wenn es um neue Verfahren der
Pränataldiagnostik geht (nicht invasive Testverfahren) oder auch um
die kritische Auseinandersetzung mit einer Schwangerschaft, wenn
die Frage eines individuellen oder generellen Beschäftigungsverbots
für die Patientin ansteht.
Beeindruckend fand ich die Ehrlichkeit ihrer Aussagen, so z.B.,
wenn Claudia Schumann es spüren lässt, dass sie selbst ihre
ursprünglichen Einschätzungen, wie z.B. zur HPV-Impfung, geändert
hat. Auch die Schwierigkeiten des Abrechnungssystems und die
ungelösten Probleme des ökonomischen Drucks beschreibt sie sehr
eindringlich.
Eine oberflächliche Rezension würde meistens mit der Feststellung
enden: »Dieses Buch sei jeder Frauenärztin oder jedem Frauenarzt
empfohlen.«
Da ein grundsätzliches Problem der ärztlichen Tätigkeit in
Deutschland darin besteht, dass die Weiterbildung meist in Kliniken
und der größte Teil der Berufsausübung aber später in der
eigenständigen Praxis stattfinden, muss die Empfehlung anders
lauten:
Dieses Buch ist insbesondere denjenigen zu empfehlen, die in der
Weiterbildung sind und die sich damit auseinandersetzen, wie es
denn weiter gehen kann in der gynäkologischen Praxis mit Fokus auf
die eigene Person.
Zugleich ist dieses Buch eine hervorragende Werbung für
psychosomatisches Denken und Handeln, weil die Aussagen nicht
lehrbuchmäßig getroffen werden, sondern persönliche Erfahrungen und
Reflektionen wiedergeben.
Liebe Claudia: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Buch.
Heribert Kentenich