Rezension zu Zum Phänomen der Rührung in Psychoanalyse und Musik (PDF-E-Book)

Musikerziehung, 70. Jahrgang, Heft 1, April 2017

Rezension von Gerta Steinringer

»So nähert sich der Band interdisziplinär einem zentralen Phänomen der Musikrezeption, das bisher noch nicht systematisch untersucht wurde«, heißt es im Klappentext und der einleitende Dialog der Herausgeber führt bereits ins Zentrum des Geschehens.

Der Blickwinkel der Germanistin Heidi Gidion legt mit Texten von M. Proust, Th. Mann und I. Bachmann die Wirkung von Musik auf Schriftsteller und die Protagonisten in ihren Werken dar.

Der Neurobiologe Eckart Altenmüller zeigt in seinem Forschungsbericht Zusammenhänge zwischen musikalischen Strukturen und damit ausgelösten Emotionen (bzw.sog. »chills«) auf und weist die Bedeutung hirnphysiologischer Erkenntnisse für die Psychotherapie aus.

Rainer Krause durchleuchtet den »intersubjektiven Raum« zwischen den Körpern und Seelen von Analytiker und Analysand und untersuchte in Zusammenarbeit mit Sebastian Leikert die »Rolle des affektiven Dialogs in der psychotherapeutischen Situation«.

Tobias Vollstedt geht es um eine tiefenhermeneutische Auslegung des 1. Satzes von W. A. Mozarts Sonate für 2 Klaviere in D-Dur (KV 4487375a). Die Analyse des Dialogs zwischen den beiden Instrumenten und Interpretationsvergleiche illustrieren das szenische Geschehen in der Musik. Der kulturanalytische Vergleich zwischen Heintjes Erfolgsschlager »Mama« und dem Introitus von W. A. Mozarts Requiem KV 626 ist Dietmut Niedecken überzeugend gelungen.

Sebastian Leikert arbeitet auf seinem Konzept der kinästhetischen Semantik in Abgrenzung von Freuds Affekttheorie die szenische Rahmung des Affekts und die Rolle der Rührung im ästhetischen Erleben heraus. Ursache (Wahrnehmung) und Wirkung (Affektivität) führen über die Verarbeitungsleistung bei der Kunstrezeption zur entscheidenden Transformation.

Der Text eines Literaten mit dem Pseudonym Armin D. Haas berührt durch Freud und Leid einer Künstlerseele – »warum so viele Autisten Musiker werden«.

Karin Nohr umkreist die Frage »Was ist Rührung?« ausgehend von einer Fallvigniette persönlich assoziativ.

»GEFÜHL und Musik« von Jürgen Trapp beendet mit einem beeindruckenden musikhistorischen »Querlauf« anhand vieler Beispiele deren Wirkung auch in historischer und soziologischer Position das komplexe Thema dieses sehr empfehlenswerten Buches.

zurück zum Titel