Rezension zu Nach dem bewaffneten Kampf

Neues Deutschland, Beilage zur Leipziger Buchmesse 22. bis 25. März 2007

Rezension von Peter Nowak

Die Ehemaligen RAF-Gefangenen
Verletzungen

Seit dem antikapitalistischen Grußwort von Christian Klar an eine Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin Anfang des Jahres werden die Gemüter wieder aufgeheizt, nicht unähnlich jener im Deutschen Herbst 1977. Die Absicht ist klar: Jede Kritik an der Verfasstheit der Gesellschaft soll in die Nähe von Terrorismus gerückt werden. Für Zwischentöne ist da kein Platz. Allen, die sich jetzt so fürchterlich über Klars Äußerung aufregen, sei das vorliegende Buch empfohlen.

Zunächst wird daran erinnert, dass schon zahlreiche ehemalige Aktivisten aus RAF und der Bewegung 2. Juni aus der Haft entlassen worden sind und niemand von ihnen je wieder an militanten Aktionen teilgenommen hat. Aber alle sind von ihrer Vergangenheit, der Entscheidung in die Illegalität zu gehen und den harten Jahren der Haft gezeichnet, viele gar regelrecht traumatisiert. Sie wandten sich an international tätige Psychotherapeuten. Diese berichten hier nun, wie schwierig auch für sie das Begehren der ehemaligen Gefangenen war. In humanistischen Organisationen zwar schon jahrelang aktiv, vor allem für politische Gefangene in Lateinamerika, die ebenfalls Mitglieder bewaffneter Gruppen waren, sahen sie sich doch einer völlig anderen Herausforderung konfrontiert. Volker Friedrich gesteht schlechtes Gewissen, weil er aus Angst vor staatlichen Repressalien die Haftsituation der Gefangenen in der Bundesrepublik eher ausgeblendet habe. Zur Sprache kommt die Aversion mancher ehemaliger RAF-Häftlinge gegenüber den Therapeuten. Mit der Verlesung eines internen Briefes durch Friedrich kam es dazu, dass eine ganze Gruppe die gemeinsamen Treffen verließ. Während die einen vor allem ihre Traumatisierung durch die Haftbedingungen aufarbeiten wollten, ging es den anderen um wesentlich mehr, auch um Erfahrungen und Kränkungen aus den Jahren der Illegalität und des bewaffneten Kampfes. Es kollidierten die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Ereignisse der 70er Jahre, z. B. den 18. Oktober 1977, als drei ehemalige RAF-Mitglieder tot in ihren Zellen aufgefunden wurden.

Das Buch gibt einen Eindruck von dem, wie und was die ehemaligen Gefangenen fühlten und heute noch fühlen, wie sie ihre politische Vergangenheit beurteilen und was sie vom Leben erwarten und erhoffen, auch wie sie Gegenwart und Zukunft dieses Landes sehen. Alle betonen, die Berechtigung des politischen Aufbruchs, von dem sie ein Teil waren. Differenzen sind in Sicht auf die Art und Weise, wie dieser gewagt wurde, zu erkennen. Niemand von ihnen macht es sich dabei leicht. Häufig klingt aus den Gesprächen, Geständnissen und Bekenntnissen eine große Traurigkeit heraus – vor allem über die Sprachlosigkeit untereinander. Mit jener Gruppe, die die gemeinsamen Treffen mit den Therapeuten verlassen hatte, ist bis heute noch keine Kommunikation wieder zustande gekommen. Die Verletzungen sind offenbar noch zu groß. Vielleicht kommt es bei der Buchpremiere im Rahmen der Leipziger Buchmesse wieder zum Gespräch. Wer weiß?

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