Rezension zu Faszinosum Sexualität
Lambda Nachrichten, Dezember-Jänner, Nr. 172, 39. Jahrgang, 5.2017
Rezension von Christian Höller
Faszination Sex
Martin Dannecker zählt zu den bekannten homosexuellen
Sexualwissenschaftlern in Deutschland. Er schrieb mit Rosa von
Praunheim Anfang der 1970er das Drehbuch zu »Nicht der Homosexuelle
ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt«. Sein neues
Buch enthält eine bunte und lesenswerte Mischung von Beiträgen und
Vorträgen. Es geht dabei um Themen wie »Leder als Fetisch«, »Alt
werden« und »Verändert das Internet die Sexualität?« Seine Aussagen
regen zum Nachdenken an. Dannecker schreibt beispielsweise, dass
die Fetischisierung der Jugend zur Folge hat, dass alle schwule
Männer in der schwulen Community bislang keinen Ort haben, an dem
sie sich anerkannt fühlen. Denn Jugend und jugendliche Körper
werden zum Standard des Begehrens gemacht. Aufschlussreich ist sein
Beitrag übet schwule Männer auf Chat- und Datingportalen. Dazu
werden Ergebnisse einer Umfrage auf dem bekannten Internet-Portal
planet-inmeo.com vorgestellt. So verbringen Schwule auf
Datingseiten sehr viel mehr Zeit, als es die schnelle Triebabfuhr
oder die schnelle Verabredung zum Sex benötigen würde. Das
Besondere im Internet ist, dass vor einem möglichen Treffen
ausführlich sexuelle Wünsche und Phantasien besprochen werden
können. Dannecker hatte angenommen, dass die hochgespannten
Erwartungen dann zu Enttäuschungen führen. Doch die Umfrage kam zu
anderen Ergebnissen. So gaben zwei Drittel der Befragten an, dass
bei den über das Internet arrangierten sexuellen Begegnungen die im
Chat entstandenen Erwartungen durch den realen Sex erfüllt oder
sogar übererfüllt worden seien.