Rezension zu Der Mutter-Embryo-Dialog
Psychoanalytische Ressourcen, Newsletter vom 21. November 2017
Rezension von Ludwig Janus
Beim Mutter-Embryo-Dialog geht es darum, einer Frau mit unerfülltem
Kinderwunsch über eine sprachliche Vermittlung Anregungen für einen
Kontakt zu ihren inneren Geschlechtsorganen zu vermitteln und eine
innere Wahrnehmung des Lebensraums des künftigen Kindes, die
Gebärmutter – seinen Container, zu ermöglichen. In einem zweiten
Schritt geht es um die Verschmelzung von Eizelle und Spermium
(»erste Hochzeit«) und den daraus entstandenen Embryo, das eigene
Kind.
Auhagen erläutert: »Im therapeutischen Setting übertragen Frauen
eine einfühlsame Mutterfigur auf mich, die es ihnen erlaubt, sich
liebevoll, ja autoerotisch mit ihrem Körper zu befassen. Durch
diese lustvolle Erfahrung und gefühlsmäßige Verbindung der Frau mit
ihren Fortpflanzungsorganen wird gleichsam ein ›Flirt‹ mit dem
ersehnten Kind möglich.« Darüber hinaus ergeben sich weitere
Möglichkeiten zur Förderung der vorgeburtlichen
Mutter-Kind-Beziehung.
Dies eine andeutende Zusammenfassung dieses anspruchsvollen
Unternehmens, das durch eindrucksvolle Beispiele aus der Praxis
erläutert wird, die zeigen, dass auf diesem Wege in vielen Fällen
eine fundamentale Umstimmung im Organismus der Frau möglich ist,
die erst eine Schwangerschaft ermöglicht.
Damit wird für einen existenziellen Bereich weiblich-mütterlicher
Wirklichkeit in einer neuartigen Weise ein Verstehenszugang
eröffnet, der trotz der Evidenz aus den Praxisbeispielen unseren
üblichen Horizont überschreitet. Deshalb ist ein Großteil des
Buches der Begründung der Möglichkeiten für einen so tiefen
Selbstbezug gewidmet. Dabei nutzt die Autorin in vorurteilsfreier
Weise die Ergebnisse aus verschiedenen methodischen
Forschungsbereichen, sowohl der Psychoanalyse, der
Regressionstherapie, der Pränatalen Psychologie wie auch der
verschiedenen empirischen Forschungsfelder.
Fruchtbarkeit ist ein zentrales Thema in vielen Mythen und spiegelt
die archaische Dimension in weiblich-mütterlicher
Lebenswirklichkeit mit ihrer abgründigen Nähe zu Verletzbarkeit und
Tod wider, wie sie auch immer wieder im Rahmen von
psychotherapeutischen Settings erkundet wurde. Doch gibt es auch
Forschung zu den psychosomatischen Zusammenhängen bei
Unfruchtbarkeit, insbesondere im Rahmen der Stressforschung.
Die ungewöhnliche Fähigkeit von Ute Auhagen-Stephanos, zunächst
ganz disparat erscheinende Befunde integrativ zu nutzen, bringe ich
damit zusammen, dass sie sich seit Jahrzehnten in der
Zusammenarbeit mit einem medizinischen Fertilitätszentrum der ganz
konkreten Wirklichkeit der Not der Frauen mit unerfüllten
Kinderwunsch mit ihrer psychoanalytischen Kompetenz wirklich
gestellt hat und von da aus geschaut hat, was kann hier hilfreich
sein. Das führt ganz selbstverständlich zu dem
interdisziplinär-integrativen Ansatz der Beachtung der
verschiedenen methodischen Ebenen und Forschungsfelder. Das
verlangt dem Leser einiges an Offenheit ab, sich auf diese
verschiedenen Beobachtungsbereiche einzustellen und dann die
hierdurch mögliche Wahrnehmungserweiterung nachzuvollziehen. Die
Belohnung ist jedoch eine Überwindung der üblichen Scheu vor der
abgründigen Komplexität der archaischen Dimension
weiblich-mütterlicher Existenzialität und ein innerer Kontakt zu
dem Mysterium und Faszinosum dieser elementaren Lebenswirklichkeit,
die in unserer immer noch patriarchal bestimmten Kultur scheinbar
und eigentlich irrational nur eine ganz marginale Bedeutung hat. In
diesem Sinne ist das Buch von Ute Auhagen-Stephanos, wie die
Amerikaner sagen würden, »groundbreaking«.
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