Rezension zu Verschleierte Wirklichkeit
Soziale Arbeit – Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, Heft 10, Oktober 2017, 66. Jahrgang
Mit der ihm zugeschriebenen Funktion, die Frau in der
Öffentlichkeit vor Belästigungen zu schützen, besitzt der vor allem
im islamischen Kulturkreis verbreitete Schleier eine nicht zuletzt
auch emanzipatorische Deutungsdimension. Die Autorinnen untersuchen
am Beispiel der Diskurse über das genannte Kleidungsstück, wie der
interreligiöse Dialog in der Auseinandersetzung über Fragen der
Geschlechterordnung in Erscheinung tritt. Anknüpfend an
Überlegungen zur Symbolik des Kreuzes und zur Geschichte des
Schleiers unterscheiden sie zunächst genderspezifische Perspektiven
im Judentum, Christentum und Islam. Im Weiteren geht es um die
mündliche und schriftliche Überlieferung, um das Haremswesen und um
die Inszenierung weiblicher Körper in Mode, Kunst, Film, Fotografie
und Pornografie. Thematisiert werden auch die wechselseitigen
Bezüge der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte im Morgen- und im
Abendland, das Phänomen der Ehrenmorde und die Auswirkungen des
Kolonialismus. Das Buch schließt mit Betrachtungen zur
Säkularisierung, zur Globalisierung und zur historischen
Entwicklung des Geldes und der Prostitution. Die Neuauflage dieses
erstmals im Jahr 2007 erschienenen Buches leistet einen wichtigen
Beitrag zur aktuellen Debatte um die Integration und Inklusion
geflüchteter Menschen und trägt zum Verständnis des Selbst- und
Fremdbildes muslimischer Frauen bei.