Rezension zu Das lebendige Gefüge der Gruppe
ÖVS news 2/2017
Rezension von Heinz Lorenz
Raoul Schindler (1923–2014), Ehrenmitglied der ÖVS, ist vielen
Lesern als Begründer des »Rangdynamischen Modells der Gruppe«
bekannt. Darüber hinaus kennen viele seinen wesentlichen Einfluss
auf die Gestaltung der österreichischen psychosozialen Szene. Sein
weites Betätigungsfeld reichte von seinen Arbeiten in der
Psychiatrie, der Entwicklung von Gruppendynamik und
Gruppenpsychotherapie bis hin zur aktiven Gestaltung der
psychosozialen Versorgung. Dabei war es ihm immer ein Anliegen, die
gesellschaftliche Relevanz der verschiedenen Arbeitsbereiche im
Auge zu behalten.
Ein Teil seiner in diversen Fachzeitschriften veröffentlichten
Publikationen ist kürzlich in Buchform erschienen. Zusammen mit den
Kommentierungen bzw. Bemerkungen des Autorinnenteams zum jeweiligen
Kontext der Arbeiten ergibt sich eine spannende historische
Betrachtung der Entwicklung von Raoul Schindlers Denken, seinem
Handeln und seiner Zeit.
Das Werk beginnt mit Arbeiten zu therapeutischen Kleingruppen und
zu Schindlers Experiment, auch die jeweiligen Angehörigen der
Patientinnen mit ein zu beziehen – eine logische Folge von
Schindlers Eintreten für die Psychiatriereform der 1970iger. Es
folgen Arbeiten zum »Rangdynamischen Modell«, zu Schindlers
Bemühungen, dieses auch für größere Gruppierungen anzuwenden, und
zu Arbeiten zur besonderen Bedeutung der »Omega«-Position.
Abgeschlossen wird dieses Buch mit Veröffentlichungen zu
gesellschaftlichen und institutionellen Entwicklungen.
Besonders zwei Aspekte des Buches sind für Supervisorinnen und
Supervisoren herauszustreichen: Das sind einmal die Arbeiten zum
»Rangdynamischen Modell« – besonders die, in denen Schindler sein
Modell von jenen soziometrischen und sozialpsychologischen Modellen
abgrenzt, die ähnliche Begriffe verwenden. Besonders wichtig ist
das Verständnis der Bedeutung des »Omega« für das Geschehen in
einer Gruppe, für ihren Zusammenhalt und ihr Fortbestehen.
Schindler hat sich damit sein ganzes Leben lang beschäftigt und
große Empathie für diese Position entwickelt. Zum anderen sind es
Schindlers lustvolle und bildhafte Beschreibungen von
Gruppenprozessen, die eigentlich in allen Supervisionsausbildungen
zur Pflichtlektüre ernannt werden sollten.
Den Autorinnen und Autoren, zwei davon Mitglieder der ÖVS, sei
gedankt für diese lesenswerte und profunde Zusammenstellung!