Rezension zu Verkörperungen von Weiblichkeit (PDF-E-Book)
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Rezension von Bettina Zehetner
»Der weibliche Körper – Heimat oder Kriegsschauplatz« so betitelt
Angela von Arnim ihren Artikel über (selbst)destruktive
Normierungspraktiken im Namen der Schönheit. Laut
sozialpsychologischen Studien steigt die Unzufriedenheit mit dem
eigenen Körper in den letzten Jahren ständig, nicht zuletzt
aufgrund der explosionsartigen Dichte und Geschwindigkeit an (meist
gemorphten, also technisch veränderten) Bilder von Körpern in
Social Media – Zusammenhängen, mit denen frau sich vergleichen, an
denen frau sich messen soll. Und: Wer sich schämt, protestiert
nicht. Dies ergibt viel Bedarf an Bewusstseinsarbeit und
Gesellschaftskritik, aber auch an heilender Körperpsychotherapie,
um den eigenen Körper nicht (mehr) als Schlachtfeld oder bloßen zu
bearbeitenden Rohstoff mit mehr oder weniger Marktwert zu
behandeln, sondern sich zu trauen, eigenen Impulsen zu folgen, den
eigenen Körper zu spüren und erspürte Grenzen nicht als Auftrag sie
zu überwinden zu erleben, sondern als sinnvolle Signale in der
Kommunikation mit anderen. Dazu gehört auch, sich aggressive
Regungen zu erlauben und sie womöglich sogar als Fähigkeit zur
Selbstbehauptung nützen zu lernen – ganz konkret im Atemmuster, in
der Muskelspannung, in der Zentriertheit und Erdung, in der Haltung
der Wirbelsäule, in der Beweglichkeit der Gelenke, der Festigkeit
der Knochen, im Zusammenspiel der inneren Organe, in der
Bezogenheit von Nervensystem, Gehirn und Körper. Weibliche Körper
können so viel mehr als freundlich, fürsorglich und dekorativ sein,
wie Cornelia Richter-Grimm und Anna Willach-Holzapfel deutlich
machen.
Susanne Maurer thematisiert den Körper als utopischen Fluchtpunkt,
durch dessen leib-seelische Analyse sich ein Hoffnungshorizont auf
emanzipatorische Prozesse eröffnet. Die Diskurse um Verletzlichkeit
und Begrenztheit bilden dazu den Kontrapunkt. Der diskursive Körper
als erfahrbare Realität – das ist eine der spannenden
Herausforderungen, denen sich körperpsychotherapeutische Methoden
stellen. Maurer plädiert für ein Denken des Menschen in
Kräftefeldern, eine Perspektive, die der Körper(psycho)therapie
längst vertraut ist. Hier geht es um Fragen wie »Welche Kräfte
können sich entfalten?«, »Was kommt in einer Bewegung zum
Ausdruck?« oder »Wofür steht ein bestimmter Bewegungsimpuls und wo
führt er hin?«
Sabine Schrem macht sich auf die Suche nach den weiblichen
Traditionen der Körpertherapie und präsentiert in Form von 12
Kurzportraits eine spannende Geschichte der von Anfang an
vielfältig tätigen Frauen in diesem Methodenspektrum. Diesen
Reichtum an weiblichen Gründerinnen und Praktikerinnen sichtbar zu
machen war längst überfällig, zumal gerade auch in der
Körperpsychotherapie die Meisterinnen oft untergehen in der
Beweihräucherung männlicher Gurus.
Viel Raum ist auch den Bereichen Sexualität und Mutterschaft
gewidmet sowie dem sensiblen Thema Körperpsychotherapie bei
geschlechtsspezifischer Gewalt.
Insgesamt ein Sammelband mit thematisch breiter
genderreflektierender Reflexion körpertherapeutischer Prozesse
anhand von lebendigen Fallbeispielen.
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