Rezension zu Borderline-Kommunikation (PDF-E-Book)
PFAD Fachzeitschrift für die Pflege- und Adoptivkinderhilfe Jg. 31 H. 3, 2017
Rezension von Margit Huber
Woher kommen die Stimmungsschwankungen, Verlustängste und die
gestörte Selbstwahrnehmung von Borderline-Patientlnnen und welche
Folgen entstehen daraus für die Begegnungen und Beziehungen
zwischen Klient und Therapeut? In seiner Studie wertet der
Psychotherapeut Johann Steinberger das innerpsychische Erleben von
Menschen mit Borderline-Störung anhand von persönlichen Briefen und
Gesprächsprotokollen aus Therapiesitzungen konversationsanalytisch
aus. Er untersucht das Kommunikationsverhalten von
Borderline-PatientInnen gegenüber dem medizinischen Fachpersonal
und erkundet Motive und Wirkungen der Aussagen und
Interaktionsmuster der Betroffenen. Borderline-PatientInnen lösen
mitunter heftige Gefühle in Therapeuten aus. Steinberger führt dies
auf einen Abwehrmechanismus der Borderliner zurück, der in der
Fachsprache »Projektive Identifizierung« genannt wird. Gemeint ist
damit, dass Borderliner, in der Absicht, ihre negativen Emotionen
abzuladen, »massive Schuldgefühle im Gegenüber (erzeugen) und es in
eine defensive Haltung (bringen)« (S. 20). Ein solches Verhalten
stellt hohe Anforderungen an das Fachpersonal, seien es Pflegeteams
oder TherapeutInnen. Die Ursache für das übergriffige Verhalten
sieht Steinberger im Weltbild seiner Zielgruppe.
Borderline-Patientinnen halten die Welt für gefährlich und
bedrohlich, sich selbst hingegen für verwundbar, machtlos und
inakzeptabel. Dieses Erleben kann auf frühe Grenzverletzungen
zurückgeführt werden, etwa sexueller Missbrauch, physische oder
seelische Gewalt.
Zwei Experteninterviews verdeutlichen, »wie schwierig der Weg zur
Erkenntnis in der Behandlung dieser Patienten ist.« Steinberger
betont daher abschließend »die Wichtigkeit der Selbsterfahrung des
Therapeuten, wobei eine verstärkte Sensibilität für das Geschehen
in der Sitzung mit dem Bedacht auf die intensiven
Interaktionsmuster verbunden werden sollte.« Er regt an, die
Problematik, die sich aus den speziellen Kommunikationsmustern von
Borderlinern ergibt, verstärkt in die Ausbildung von Therapeuten
einfließen zu lassen. Zweifellos ergänzen Methode und Ergebnisse
der Studie den bisherigen Forschungsstand um wichtige Aspekte. Für
PsychotherapeutInnen, die permanent an einer Verbesserung ihrer
Praxis arbeiten, kann die Lektüre erhellend sein, Pflege- und
Adoptiveltern, die sich über das Verhalten von Menschen mit
Borderline-Störung informieren wollen, finden das Gesuchte eher in
der einschlägigen Ratgeber-Literatur oder in aufklärenden
Fachbroschüren.