Rezension zu Gefängnisaufzeichnungen
Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, Heft 59, 30. Jahrgang, 2017
Rezension von Günther Molitor
Lesen Sie hier Ausschnitte aus der Rezension zum Buch
»Gefängnisaufzeichnungen«:
»Der nun vorliegende Band, ediert von der Sozialwissenschaftlerin
und Autorin Judith Kessler und dem Psychohistoriker Roland
Kaufhold, macht erstmals Jacobssohns Haftnotizen der ersten zwölf
Gefängnistage, ihre Gedichte aus einem ›Schwarzen Heft‹ und ihre in
der Haft entstandenen wissenschaftlichen Arbeiten ›Zur Technik der
Analyse Paranoider‹ und ›Einige Beobachtungen über physische und
psychische Hafteinwirkungen‹ faksimiliert und transkribiert
zugänglich.«
»Die Notizen und Gedichte, aber auch ihre in der Haft angefertigten
wissenschaftlichen Arbeiten verraten viel darüber, wie die Autorin
das traumatische Erleben der Inhaftierung, der Isolierung, des
Verlustes, des Schmerzes, der Ohnmacht und Angst zu bewältigen
versuchte. Ihre Fähigkeit zur Selbst- und Fremdreflexion, zur
Disziplinierung und Bewältigung innerer und äußerer Bedrohungen,
ihre Selbstanalyse, ihre Vitalität, ihre inneren Ressourcen und ihr
Lebenswille trotz wiederkehrender depressiver Einbrüche in
aussichtsloser Situation werden in diesen Gefängnisaufzeichnungen
erlebbar.
Ihre Fähigkeit zur Fortführung der wissenschaftlichen Arbeit unter
Haftbedingungen dokumentiert nicht nur ihre hier erstmals im
Faksimile wiedergegebene 15-seitige Arbeit ›Zur Technik der Analyse
Paranoider‹, sondern auch die mit ihrem wichtigsten Unterstützer
und Freund Otto Fenichel abgesprochene Arbeit ›Wege zur weiblichen
Über-Ich-Bildung‹, die aus dem Gefängnis geschmuggelt von ihm auf
dem 14. IPV-Kongress in Marienbad vorgetragen wurde.«
»Dass Judith Kessler diesen Schatz zunächst lange unwissend bewahrt
und dann doch noch entdeckt hat, ist ihr hoch anzurechnen.«