Rezension zu Psychodynamisches Denken und Handeln in der Psychotherapie (PDF-E-Book)

Beratung Aktuell, Zeitschrift für Theorie und Praxis in der Beratung, 18. Jahrgang, Heft 2, 2017

Rezension von Rudolf Sanders

Dieser Sammelband begeistert mich, denn in allen Aufsätzen geht es um die Lebendigkeit im aktuellen Beziehungsgeschehen zwischen Therapeut und Klient, zwischen Berater und Beraterinnen und den Ratsuchenden. Diese Lebendigkeit zeichnet die psychodynamisch intersubjektive Therapie aus. Sie beruht nämlich nicht allein auf der Durchführung methodengesteuerter therapeutischer Manuale und Vorgehensweisen, sondern es geht vor allem darum, ›mit‹ den Menschen, die in ihren Nöten unsere Hilfe suchen, gemeinsam eine Beziehung zu gestalten, sodass diese, durch Aufmerksamkeit und Resonanz kennzeichnet, korrigierende emotionale Erfahrungen ermöglicht. Da die Ausführungen sich auf die aktuellsten neurobiologischen Forschungen für die Veränderungen des Fühlens, Denkens und Handelns beziehen, sind die Gedanken und Vorschläge wirklich verfahrensübergreifend. Sie helfen, einen Blick auf die Gestaltung der Beziehungen zu den Ratsuchenden zu nehmen, jenseits der eigenen Schulenorientierung.

Mich begeistert die klare und verständliche Sprache, die direkt dazu geführt hat, dass ich ein Plakat gemalt habe, um meinen Klienten den Unterschied zwischen der rechten und linken Gehirnhemisphäre zum Verstehen ihrer aktuellen Problematik kognitiv (!) nahebringen zu können. Dann wird es für sie top-down leichter, sich auch bottom-up auf neue Erfahrungen, etwa im Gruppensetting, einlassen zu können. Vor allem wird in diesem Buch deutlich, dass es der Konzeptualisierung einer ganz bestimmten regulationsorientierten Therapie›haltung‹ bedarf. Diese wird geleitet von zwei Grundideen. Zum einen, dass Psychotherapie – und meiner Ansicht nach auch Beratung – immer ein intersubjektives und regulationsorientiertes Projekt ist, welches insbesondere durch die Ergebnisse der Bindungsforschung begründet wird. Hier sehe ich große Parallelen zur ›Psychologischen Therapie‹, wie sie von Klaus Grawe 1998 vorgestellt wurde. Zum zweiten, dass diese Befunde schulen- und verfahrensübergreifend gelten. Denn sie begründen psychotherapeutische Wirkfaktoren im Kontext des interpersonellen Geschehens.

Erfrischend auch der Artikel über die Spontanität aus Sicht der intersubjektiven Psychoanalyse, der mit Erkenntnissen aus der Säuglings- bzw. Bindungsforschung, der Gedächtnisforschung und der Neurowissenschaft untermauert wird. Denn Spontanität ermöglicht durch die wechselseitige aktive Beteiligung beider Subjekte eine gemeinsame Neuschöpfung,

Ein Buch, spannend geschrieben, das ich von der ersten bis zur letzten Seite durchgearbeitet habe, nicht nur, weil ich mich in meinem Arbeitsstil wiedergefunden habe, sondern auch, weil mich die Lektüre durch die Aufarbeitung aktueller Forschungsergebnisse sehr bereichert hat.

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