Rezension zu What’s fappening?

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Rezension von Esther Stahl

Thema

Das Buch beschäftigt sich ausgehend von historischen Diskursen, modernen Entwicklungen und Forschungsergebnissen mit der Analyse von Masturbationsbiografien, die anhand qualitativer Interviews erhoben wurden. Es wird dabei die Einbettung von Masturbation in das (Sexual-)leben beleuchtet und wie sich das subjektive Erleben von Selbstbefriedigung gestaltet.

Autorin

Die Autorin Hanna Sophia Rose hat Soziologie und Pädagogik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main sowie Angewandte Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg studiert.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist im Rahmen des Masterabschlusses der Autorin im Fachbereich Angewandte Sexualwissenschaft der Hochschule Merseburg entstanden.

Aufbau

• Nach der Einleitung geht die Autorin unter Punkt 2 auf den theoretischen Hintergrund des Themas Masturbation ein.

• In Punkt 3 gibt sie einen Forschungsüberblick, der unterteilt ist in die Selbstbefriedigung von Heranwachsenden sowie Erwachsenen.

• Im folgenden Punkt 4 legt Rose ihre Forschungsmethode und Vorgehensweise vor, bevor sie in Punkt 5 die von ihr geführten sechs Interviews darstellt.

• Der sechste Punkt widmet sich den aus den Interviews generierten Motiven und Anreizen für Selbstbefriedigung.

• Im 7. Kapitel diskutiert die Autorin ihre Ergebnisse, um abschließend in Punkt 8 Schlussbemerkungen zu formulieren.

Inhalt

In der Einleitung wird deutlich, dass Masturbation aus zweierlei Gründen ein sehr aktuelles Thema ist. Zum einen ist das Internet Plattform für den Austausch und die satirische Auseinandersetzung mit dem Thema sowie eine Quelle für Masturbationsvorlagen beispielsweise in Form von Internetpornografie. Zum anderen ist Masturbation nicht mehr das Tabu, das es einmal war, und kann nun auch geschlechterübergreifend thematisiert werden (8 f.). Rose setzt mit ihrer Arbeit einen Fuß in die Forschungslücke, die es in diesem Bereich gibt, vor allem was die qualitative Untersuchung masturbatorischen Verhaltens betrifft. Ihr Ziel ist dabei vor allem zu ermitteln, unter welchen Rahmenbedingungen und mit welchen Motiven Masturbation auf Grundlage welcher Biografie stattfindet (9).

In Kapitel 2 stellt die Autorin in Bezug auf internationale Fachliteratur einen theoretischen Hintergrund zum Thema Masturbation dar. Männliche und weibliche Selbstbefriedigung wird bis heute unterschiedlich diskutiert und bewertet (12). Auch die generelle Bewertung von Masturbation unterlag historisch einem Wandel (13 ff.). Ab dem 13. Jahrhundert als Sünde bewertet, wurde sie erst ab Ende des 18. Jahrhunderts mit mehr Nachdruck und vielfältigen (pseudowissenschaftlichen) Begründungsansätzen von Medizinern, Vertretern der Kirche und Pädagog_innen tabuisiert. Freud sieht auch noch Anfang des 20. Jahrhunderts »autoerotisches Verhalten« als Teil der kindlichen Entwicklung, die im Erwachsenenalter inadäquat sei (15). Ab Mitte des 20. Jahrhunderts schafft es die Selbstbefriedigung in der moralischen Bewertung immerhin auf die Stellung der Ersatzbefriedigung bei Ermangelung eines Partners_einer Partnerin (15). Mit der sexuellen Revolution der 60er Jahre wird Selbstbefriedigung dann allmählich zur eigenständigen Form Sexualität frei und autonom zu leben (16). Im Folgenden wird erörtert inwiefern die zunehmende Nutzung von Internetpornografie und damit verbundene Masturbation ein Phänomen der selbstbezogenen Postmoderne ist (19 f.). Neben der Individualisierung zeichnet sich die Postmoderne außerdem durch ihr Leistungsprinzip aus, das sich wiederum in einem Orgasmusparadigma abbildet, welches der Masturbation ihre Legitimation verleiht (21 f.).

Der Forschungsüberblick in Kapitel 3 eröffnet, dass sich der Gender-Gap zwischen Mädchen und Jungen bezüglich deren Masturbationserfahrungen langsam zu schließen scheint (24 f.), jedoch nach wie vor Unterschiede in der Art und Weise, der Bewertung sowie dem Zeitpunkt des »ersten Males« zwischen den Geschlechtern feststellbar sind (25 ff.). Mädchen fangen später an, masturbieren seltener pornografiegestützt und bewerten ihr eigenes masturbatorisches Verhalten eher negativ (25 ff.). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich für die erwachsenen Frauen und Männer, allein die negative Bewertung findet sich im Erwachsenenalter nicht mehr in ähnlicher Weise, auch wenn nach wie vor kaum darüber gesprochen wird (30 ff.).

In Kapitel 5 stellt Rose die von ihr geführten Interviews mit drei Männern und drei Frauen dar um diese in Kapitel 6 bezüglich der Faktoren »Motive«“ und »Anreize« zu analysieren. Sie stellt folgende Motive und Anreize für die Masturbation fest (71 ff.):

• Orgasmuserleben
• Lust und sexuelle Erregung
• Druckgefühl
• Entspannung
• Gewohnheit
• Ablenkung und Langeweile
• Unabhängigkeit
• Substitut für partnerschaftliche Sexualität
• Effizienz

Die einzelnen Punkte werden jeweils mit Ausschnitten aus den Interviews lebendig erläutert.

Diskussion und Fazit

Hanna Roses Buch »What´s fappening? Eine Untersuchung zur Selbstbefriedigung im 21. Jahrhundert« bietet einen fundierten Überblick über den aktuellen Forschungsstand zur Masturbation sowie historischen Abriss des Wandels der moralischen Bewertung dieses Teils sexuellen (Er)Lebens. Außerdem trägt sie mit ihrer qualitativen Interviewstudie dazu bei, dass Rahmenbedingungen von Masturbation, deren Motive und biographischen Einflüsse der Generation Y erleuchtet werden. Einer Generation, die mit unbegrenztem Zugang zu Pornografie aufgewachsen sind und außerdem in einer Zeit, in der Masturbation erstmalig in der Form moralisch entladen war. Trotz der zunehmenden Angleichung der Geschlechter wird klar, dass Mädchen und Frauen nach wie vor deutlich seltener pornografiegestützt masturbieren und auch im Lebenslauf später damit beginnen. Besorgniserregend ist dabei die Erkenntnis, dass vor allem Mädchen ihre eigene Selbstbefriedigung negativ bewerten, was sich im Lebenslauf aber immerhin zu ändern scheint. Ein empfehlenswertes Buch für Sexualpädagog_innen und interessierte Wissenschaftler_innen.

Rezensentin
Esther Stahl
M.A. Angewandte Sexualwissenschaft
Lehrkraft für besondere Aufgaben, Hochschule Merseburg
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