Rezension zu Bindung und Autonomie in der frühen Kindheit
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Rezension von Evelin Kirkilionis
Sie möchten in das Thema Bindung einsteigen und sind an der
kindlichen Verhaltensentwicklung der ersten Jahre interessiert?
Dann besorgen Sie sich dieses Buch. Sie wollen sich tiefer in diese
Materien einarbeiten? Dann ist dieses Buch das richtige. Sie
meinen, alles über Bindung zu wissen? Besorgen Sie sich dieses Buch
trotzdem, es macht einfach Spaß und Sie finden ziemlich sicher neue
Ansätze und Sichtweisen. Zudem erfahren Sie Grundlegendes über
Humanethologie und eine ihrer angewandten Seiten.
Das Buch ist schlicht und ergreifend ein gelungener Überblick über
den Themenkomplex Bindung, frühkindliche Entwicklung und
Humanethologie. Die eingeschobenen Zusammenfassungen und Tabellen
sind übersichtlich, bereichern den Text und vereinfachen das Lesen.
Die Ausdrucksweise ist wissenschaftlich fundiert und »dennoch«
verständlich, nicht zu vergessen das Glossar am Ende. Und es macht
einfach Spaß, die Seiten durchzuarbeiten, wobei »arbeiten« das
falsche Wort ist, Interessantes liest sich immer leichter. Hier
überschneiden sich theoretisches Wissen und praktische Anwendung in
gelungener Form und ist, wie man nicht oft genug hervorheben kann,
einfach ansprechend und interessant formuliert. Sicher bin ich als
Humanethologin begeistert von dem verhaltensbiologischen
Hintergrund der Ausarbeitung. Aber es kommen auch die anderen
relevanten wissenschaftlichen Disziplinen zur Sprache, werden
gelungen miteinander verknüpft und in die einzelnen Themenbereiche
integriert. Das macht das Buch eben nicht nur für
Verhaltensbiologen interessant, sondern bietet ebenso einen
allgemeinen Überblick über die Erkenntnisse der anderen
Wissenschaftsrichtungen, wozu hier ungewöhnlicherweise auch
Geschichte und Kulturentwicklung gehören.
Im ersten Teil des Buches steht die Verhaltensbiologie im
Vordergrund – die ja stammesgeschichtliche Erkenntnisse,
vergleichende Beobachtungen, Kulturvergleiche und
kulturgeschichtliche Aspekte einschließt. Dennoch wird nicht
isoliert argumentiert sondern disziplinenübergreifend. Im zweiten
Teil werden die verschiedenen klassischen Theorien nochmals
aufgegriffen, vertieft und um neuere Ausarbeitungen erweitert.
Zudem werden kindlicher Verhaltensabläufe vorgestellt und
analysiert, hier wird die Praxiserfahrung der Autorin deutlich. Und
hier geht es um mehr als um Bindung und die Autonomieentwicklung in
der frühen Kindheit. Auch wenn schwierigere Themenkomplexe
aufgegriffen werden, findet man durch die eingeschobenen Beispiele
und Beschreibungen der kindlichen Verhaltensweise eher Zugang zu
den Entwicklungsbesonderheiten der frühen Jahre, die Fachleute auch
als »Handlungsanregungen«“ nutzen können. Besonders hervorzuheben
sind die vielleicht für manche etwas ungewöhnlichen
Betrachtungsweisen verschiedener kindlichen Verhaltensaspekte wie
Gier, Geiz oder Trotz, bei der der verhaltensbiologische
Hintergrund der Autorin nochmals deutlich wird. Die Beschreibungen
unterstützen eine unvoreingenommenere Sichtweise des kindlichen
Verhaltens, helfen unangemessene Wertungen vermeiden und tragen so
zu einer ausgewogeneren Reaktion der Erziehenden bei.
Kurz: Ein rundum gelungenes Buch.
Dr. Evelin Kirkilionis
Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM)
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