Rezension zu Cinépassion - The Sequel

RAY Filmmagazin, Ausgabe 6, 2017

Rezension von Walter Gasperi

CINEPASSION -THE SEQUEL

Mit »Cinépassion« legt der Psychosozial-Verlag den dritten Band mit psychoanalytischen Filmanalysen vor. 20 Filme werden vorgestellt, Klassiker stehen neben Neuem, Bekanntes neben Obskurem. Die Vielzahl der Autoren, die für das Buch ihre mündlichen Filmkommentare zu den Vorführungen verschriftlichten, sorgt für unterschiedliche Blickwinkel. Die Artikel umfassen jeweils knapp zehn Seiten, gleichbleibend ist der Aufbau mit einer Einführung zum Hintergrund des Films oder dem Regisseur und einem anschließenden Kommentar mit detailreicher Filmbeschreibung. Die Vielfalt der Filme sorgt dabei dafür, dass eine Fülle existenzieller Situationen behandelt wird und neben individuellen Situationen auch gesellschaftliche Aspekte nicht zu kurz kommen. So beschäftigt sich Andrea Kager in ihrem Beitrag zu »Persepolis« mit der Darstellung von Adoleszenz und Migration in diesem Animationsfilm, Beate Koch dagegen spürt in ihrer Analyse von Hirokazu Koreedas »Das Licht der Illusion« dem Umgang mit Trauer und dem Stillstand der Zeit im Zustand der Trauer nach. Eine wahre Fundgrube für den Psychoanalytiker ist Spike Jonzes »Being John Malkovich«, in dessen Zentrum für Mitherausgeberin Yvonne Frenzel Ganz der Wunsch nach einer anderen Identität und das Dilemma der sexuellen Identität stehen. Markus Fäh sieht in Sam Mendes’ »American Beauty« einen Film über die amerikanische Familie in Zeiten des Kapitalismus, über Triebunterdrückung und die – schließlich letale – Befreiung daraus, während Dominique Bondy-Oppermann sprachliche Aggression statt Kommunikation und damit eine Pervertiertheit der Sprache als Thema herausarbeitet, das sich durch die sechs Episoden von Ulrich Seidls »Hundstage« zieht.

Massenpsychologische Phänomene werden bei Fritz Längs »M« und Fred Zinnemanns »High Noon« analysiert, aber auch der Wiederholungstrieb des Täters bei »M« und wie der Held in »High Noon« gerade dadurch wächst, dass er sich seinen Ängsten stellt, statt sie zu überspielen. Alexander Moser widmet sich zunächst ausführlich der aufwändigen Produktion von Hanekes »Das weiße Band«, um dann auf die Beziehungsunfähigkeit der Eltern und die Wirkungen ihrer Aggression auf die Kinder einzugehen. Zwei beeindruckende Texte steuert Johannes Binotto bei. Im Beitrag zu »Bringing Up Baby« deckt er nicht nur die zahlreichen sexuell konnotierten Zweideutigkeiten auf, sondern auch wie Howard Hawks das männliche Selbstbewusstsein konsequent demontiert. Ebenso detailreich und einfühlsam nähert sich Binotto auch Hayao Miyazakis »Mein Nachbar Totoro« und spannt den Bogen vom Alleinsein der Protagonisten in Gegenwart anderer bis zum Zuschauer, der im Kino allein in Gegenwart des Films ist.

WALTER GASPERI

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