Rezension zu Sterben in stationären Pflegeeinrichtungen (PDF-E-Book)
PADUA. Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation und -bildung. Jahrgang 11, Heft 5, 2016
Rezension von Stephan Neumaier
Nur etwa 1% der Bevölkerung wünscht sich beim Sterben in einem
Pflegeheim zu sein. Die Realität sieht anders aus, um die 40% der
Menschen sterben tatsächlich in stationären Pflegeeinrichtungen.
Die Qualität der Versorgung in den Pflegeheimen ist ein
allgegenwärtiges Problemthema. Systematische Analysen und fachlich
fundierte Empfehlungen sind in diesem Zusammenhang unzweifelhaft
von großem Interesse, sowohl gesellschaftlich als auch aus der
Perspektive beteiligter Akteure und Professionen. Nachdem 2013
bereits eine solche Analyse im Kontext »Sterben im Akutkrankenhaus«
vorgelegt wurde, nimmt sich dieses Werk den besonderen Bedingungen
der Sterbebegleitung und palliativen Versorgung in stationären
Pflegeeinrichtungen an.
Schon die Zusammenstellung der 35 Autoren lässt erahnen, dass es
sich um eine sehr differenzierte Auseinandersetzung handelt. In den
jeweils knapp gehaltenen Beiträgen werden zunächst gerontologische,
psychosoziale und palliative Grundlagen erörtert.
Im zweiten Teil geht es um eine Standortbestimmung zur
bundesdeutschen Praxis. Angefangen bei fachlichen Voraussetzungen
werden klare Forderungen an die Politik gerichtet, aber auch
Handlungsalternativen benannt. SAPV stellt momentan den
Goldstandard in der ambulanten Versorgung Sterbender dar, könnte
aber auch in stationären Einrichtungen verstärkt genutzt werden.
Dazu werden Implementierungshilfen aufgezeigt. Der Appell für ein
würdiges Sterben wird unter anderem mit Fallbeispielen deutlich
formuliert. Auch Claus Fussek, ein bekannter Streiter für eine
menschenwürdige Pflege, hat ein Kapitel beigesteuert. Konkrete
Aspekte einer professionellen Pflege im Zusammenhang mit dem
Sterben in Pflegeeinrichtungen werden zum Beispiel im Kapitel 7
verdeutlicht. Die Ausführungen überzeugen an dieser Stelle durch
die Umsetzung und vertiefter Diskussion zu aktuellen Instrumenten
professioneller Pflege. Als Beispiel sei die gelungene Erörterung
zur Anwendbarkeit der Expertenstandards in einem so sensiblen und
von individuellen Wünschen geprägten Feld genannt. Der hohe
Anspruch an die Pflegekräfte bei der Umsetzung einer derart
spezialisierten und auf Kommunikation beruhenden Arbeit wird
unmissverständlich klar.
Auch der Blick ins Ausland fehlt nicht. Knapp und durchaus
hilfreich werden Konzepte oder ähnliche Probleme aus Irland,
Österreich und der Schweiz geschildert. Darauf folgt ein Abschnitt
mit empirischen Erkenntnissen, die für sich genommen beeindrucken.
Seien es nicht erkannte Suizidabsichten von Bewohnern oder die sehr
differenzierte Gießener-Studie zu den Sterbebedingungen.
Spezielle Aspekte wie die Problematik des Sterbens bei demenziellen
Erkrankungen oder kulturellen Unterschieden, die Perspektive der
Ärzte oder spirituelle und christliche Werte kommen hier zur
Sprache.
Zu denken geben dabei die Worte von Newerla und Gronemeyer, die von
einer ratlosen und »verwirrten Gesellschaft« sprechen. Dabei sind
die wirklichen Bedürfnisse nicht so kompliziert: Zeit haben muss
man, auch zum Nachdenken und da sein!
Das Buch spricht alleine schon durch die Vielzahl der Beiträge aus
unterschiedlichsten Perspektiven sehr viele Zielgruppen an.
Betroffene, Pflegende und andere Professionen, Leitungen, Lehrende
oder die Politik. Wer mit den letztlich kurzen Beiträgen
unzufrieden ist, kann auf die durchgängig vorhandenen
Quellennachweise zurückgreifen. Ein sehr gelungenes Überblickswerk,
um sich intensiver mit der Thematik zu befassen.
Rezension von Stephan Neumaier, erschienen in PADUA.
Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation und
-bildung. Jahrgang 11, Heft 5, 2016.
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