Rezension zu Neue Mütter - neue Väter

GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, Ausgabe 1/2017

Rezension von Sigrid Metz-Göckel

Die Dynamik einer geteilten Elternschaft von Paaren, die sich darauf verständigt haben, berufliche und familiale Arbeiten gleichermaßen aufzuteilen, ist das Thema der Studie von Karin Flaake. Die weiterreichende Frage richtet sich darauf, ob und wenn ja, wie sich über eine geteilte Elternschaft traditionelle Geschlechterrollen für Mütter und Väter verflüssigen. An mehreren Fallbeispielen beschreibt die Autorin, wie sich die Aufteilung der Familienarbeiten – differenziert in die Betreuung der Kinder und die Erledigung der Hausarbeiten – nach der Geburt der Kinder entwickelt. Sie interpretiert die Fälle aus einer psychoanalytischen Perspektive, und diese weist den eigenen Kindheits- und Elternerfahrungen eine große Bedeutung für die Konflikte in ihren späteren Paar- und Elternbeziehungen zu.

Die theoretische Position für die Interpretation der Aussagen der interviewten Eltern ist die Triangulation, hier der Übergang von der Zweierbeziehung zu einer Dreierbeziehung (Vater-Mutter-Kind), denn beide Elternteile müssen sich von den traditionellen Elternrollen lösen, um einen ›eigenen inneren Raum‹ für diese Dreierbeziehung zu entwickeln. Somit ist die Aufmerksamkeit auf die ›inneren Möglichkeiten‹ des Paares gerichtet, den »Verführungen« der traditionellen elterlichen Geschlechterrollen nach der Geburt des Kindes/der Kinder zu entgehen und die vereinbarte egalitäre Arbeitsteilung und Zuständigkeit auch zu leben.

Die Studie ist in vier Abschnitte gegliedert. Im ersten wird die Dynamik der geteilten Elternschaft und der Paarbeziehungen an ausgewählten Fällen rekonstruiert, im zweiten werden unter dem Titel Geschlecht und Sozialisation die elterlichen Einschätzungen der Folgen für die Sozialisation ihrer Kinder berichtet, im dritten wird die Bedeutung der elterlichen Arbeitsteilung für die Lebensentwürfe der Kinder aus deren Sicht vorgestellt, und im vierten Abschnitt werden die Auswirkungen dieser Elternkonstellation auf die Geschlechterbeziehungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen resümiert. Der Analysefokus ist darauf gerichtet, wie und in welchem Ausmaß es dem Paar als Eltern gelingt, eine Re-Traditionalisierung zu vermeiden und sich für neue Konstellationen und Beziehungsqualitäten zu öffnen. Als Re-Traditionalisierung wird der Prozess verstanden, der nach der Geburt der Kinder auch bei egalitär ausgerichteten Paaren wieder zu einer traditionellen Aufteilung der beruflichen Tätigkeit des Vaters und der Familienarbeit der Mutter führt.

Die Autorin hat gezielt Eltern in ihre Untersuchung einbezogen, die bereits über längere Zeit eine gleiche Aufteilung der beruflichen und familiären Arbeit praktiziert haben, und hat auch die Kinder befragt. Die Familienmitglieder wurden mehrmals und getrennt interviewt. Das Alter der Kinder betrug zum Interviewzeitpunkt zwischen 13 und 27 Jahren. Das Untersuchungssample besteht insgesamt aus zwölf Familien, in neun von ihnen haben beide Elternteile ihre berufliche Aktivität reduziert und teilen sich die Familienarbeit, in drei Familien ist die Mutter Vollzeit erwerbstätig geblieben und der Vater hat als Hausmann die Familienarbeit übernommen.

Flaake widmet dem Übergang von der Paarbeziehung zur Elternschaft nach der Geburt der Kinder große Aufmerksamkeit, da sie diese Phase als Weichenstellung für die weitere und unterschiedliche Entwicklung der Elternpaare begreift. Sie geht in ihrer Analyse ausführlich auf das Erleben während der Geburt ein, ebenso auf die Stilldynamik, da sich in dieser Phase meist – aber nicht immer – eine besonders innige Verbindung zwischen Mutter und Kind herstellt, in die der Vater nicht einbezogen ist. Diese körperbezogenen Erfahrungen im Umfeld von Geburt und frühen Versorgungsanforderungen deutet sie als folgenreich für beide Elternteile und setzt diese zu den gesellschaftlichen Mutter- und Vaterbildern in Beziehung.

Die Interpretation der Beziehungsdynamik in dieser geteilten Elternschaft konzentriert sich auf die Konflikte, die die Paare unterschiedlich lösen. In einigen Familien, so Flaake, stellt sich eine Asymmetrie der Aufgabenverteilung ein, weil die befragten Väter – anders als bei der Kinderbetreuung – nicht den gleichen Part bei der Hausarbeit übernehmen. Sofern die Frauen andere Vorstellungen haben und diese durchsetzen wollen, entstehen Konflikte und Reibungen. Um des lieben Friedens willen übernehmen die Mütter dann doch in vielen Fällen den größeren Anteil an der Hausarbeit. Aber auch die Frauen haben Probleme, sich vom tradierten Mutterbild der totalen Zuständigkeit für das Kind zu lösen und dem Vater einen eigenen Raum für die Ausgestaltung seiner Aufgaben und Zuständigkeit zu überlassen. Dies gilt selbst bei kontinuierlicher Vollzeitberufstätigkeit der Mutter.

Den Vätern gelingt eine Identifikation mit der Kinderbetreuung insgesamt leichter als die verabredete Übernahme der Hausarbeiten. Die ›Probleme der Väter mit der Hausarbeit‹ führt die Verfasserin auf deren ›bedrohte Männlichkeit‹ zurück, auf eine innere Destabilisierung vor allem dann, wenn die Väter keine Verankerung in der Erwerbsarbeit haben. Die Assoziation der Hausarbeit mit Weiblichkeit und deren niedrige Bewertung im Vergleich zur Berufsarbeit erschwere ihnen die Ausübung und lässt sie eine Kompensation in Außenaktivitäten suchen. Die Entwicklung einer intensiven Vater-Kind-Beziehung erleben die Väter dagegen als Bereicherung, und so berichten es auch die Kinder, wobei die alltägliche Präsenz der Väter zu einer Entidealisierung des Vaterbildes führe. Die erlebte Elternkonstellation hat Einfluss darauf, so die Schlussfolgerung von Flaake, wie die Söhne und Töchter ihre Geschlechterrollen wahrnehmen: Mutter-Tochter-Verstrickungen würden gemildert, die Söhne könnten ein anderes Männerbild erleben und sich in den Vater-Sohn-Beziehungen einer gemeinsamen Männlichkeit versichern.

Gleichwohl vollziehen sich die Veränderungen nur in sehr kleinen Schritten, begleitet von traditionalen Elementen der »Zuständigkeit der Frauen für intensive emotionale und körperliche Nähe und Verbundenheit, während die Männer eher Abgrenzung und Autonomie repräsentieren. (...) Einigen der befragten Väter und Söhne ist der Mangel an emotionaler Offenheit und einer zärtlich-liebevollen körperlichen Nähe in ihrer Beziehung bewusst und sie bedauern ihn« (S. 239).

Alle Interviewpartner/innen sehen im Nachhinein ihre gewählte Lebensform trotz der Konflikte positiv. Diese sind in den Familien mit nichterwerbstätigen Vätern am stärksten ausgeprägt. Aber auch beim Verzicht auf eine Berufstätigkeit können Väter ein erfülltes Leben führen und Kinder zum zentralen Lebensinhalt für sie werden. Eine wichtige Voraussetzung ist ihre emotionale Öffnung für körpernahe, zärtliche Äußerungen der Unsicherheit und Verletzlichkeit, die in Maßen aber gelernt werden kann.

Wenn beide Eltern berufstätig sind, müssen beide planerisch fit und äußerst diszipliniert sein. Trotzdem klagen diese Mütter und Väter über dauernden Zeitmangel. Eine Entspannung tritt für sie erst ein, wenn sie weitere Hilfskräfte einstellen können. Auch bei geteilter Elternschaft ist die Hausarbeit stark affektiv aufgeladen. Ein überraschendes Ergebnis ist, dass der Rückgriff auf traditionelle Geschlechterbilder besonders verführerisch in den Konstellationen ist, in denen die überkommenen Elternrollen umgekehrt sind.

Karin Flaake führt in ihrer Studie aus, wie die Verflüssigung von Geschlechtergrenzen in den Elternrollen durch die Wirkmächtigkeit kultureller Repräsentationen im Mutter- und Vaterbild gebremst wird und wie sehr eine egalitäre familiale Arbeitsteilung von den verinnerlichten Geschlechter- und Elternbildern abhängt. Anregend sind die konkreten Schilderungen der Männer als Partner und Väter sowie der Frauen als Partnerinnen und Mütter. Sie werden als Eltern und Paar auch aus der Perspektive ihrer Kinder geschildert. Deren Sicht als Jugendliche oder Erwachsene auf ihre Eltern und darauf, wie sie diese erlebt haben, ist in ihrer konkreten Darstellung faszinierend.

Es kommt aber auch im Text zu Wiederholungen und sehr ausführlichen Auswertungen, da die Interviewzitate paraphrasierend repetiert werden. Die Literaturbezüge finden sich hauptsächlich in den Fußnoten, was die Darstellung lesefreundlich macht und der Auswertung essayistischen Charakter verleiht. Bei der kleinen Fallzahl sind Generalisierungen ohnehin nicht möglich.

Nicht verhehlen möchte ich, dass immer wieder normative Vorstellungen aus der Psychoanalyse wie das Nachfühlen und Zeigen von Offenheit, Verletzlichkeit und Schwäche in den Interpretationen durchscheinen. Die Fähigkeit zu körperlicher Zärtlichkeit und Nähe für die Väter und eine gewisse Distanzierung von der Mütterlichkeit werden als Indizien gelingender Väterlichkeit und Mütterlichkeit interpretiert. Darüber können die Urteile jedoch auseinandergehen.

Zur Person
Sigrid Metz-Göckel, Prof. Dr., TU Dortmund. Arbeitsschwerpunkte: Geschlechter- und Hochschulforschung, Fachkulturforschung, Elternschaft und Wissenschaftskarrieren, Gender Main-streaming und Elitekonstruktionen.

gender.budrich-journals.de

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