Rezension zu Bindung und Autonomie in der frühen Kindheit
frühe Kindheit, Heft 2, 2017
Rezension von Kathrin Keller-Schumacher
Eine Einführung in Forschungsmethoden und Forschungsfragen der
Humanethologie, als »einer relevanten Wissenschaft für den Alltag
mit Kleinkindern« bildet, zusammen mit Erkenntnissen aus
entsprechender Forschung zum Interaktionsverhalten von Säuglingen
und Kleinkindern, den ersten Teil des Buches. Im zweiten Teil wird
zunächst nachgezeichnet, wie sich aus Psychoanalyse und
Verhaltensforschung die Bindungstheorie entwickelt und im »Zürcher
Modell der sozialen Motivation« ihre Erweiterung erfahren hat.
Beschreibungen von beobachtetem Verhalten von Säuglingen und
Kleinkindern veranschaulichen das komplexe Zürcher Modell. Aus der
Perspektive dieses Modells werden im nächsten Kapitel die
Ergebnisse der eigenen Feldforschung beleuchtet. Mit den
Arbeitsweisen der Humanethologie – Beobachten, Dokumentieren und
wertfreies Beschreiben – erforschte die Autorin das
Nähe-Distanz-Verhalten von Säuglingen, Krabbel- und Kleinkindern in
der Interaktion mit der primären Bezugsperson und der Kinder
untereinander im natürlichen Kontext von Eltern-Baby- und
Eltern-Kleinkind-Gruppen. Untersucht und dargestellt werden die
Veränderungen der Nähe-Distanz-Dynamik, wie sie sich nach jedem
qualitativen Entwicklungssprung im spontanen frühkindlichen
Sozialverhalten zeigen: von der Stimmungsübertragung über Intuition
und Empathie zur Theory of Mind. Beobachtungen des sozialen
Verhaltens in Peer-Kontakten finden sich im letzten Kapitel:
»Einüben von wohltuendem Verhalten«.
Das Buch fordert zum Innehalten auf, zum Entdecken dessen, wozu die
Kleinsten von Anfang an fähig sind. Ich betrachte es deshalb, auch
für Fachpersonen außerhalb der »klinischen« Praxis, als
Grundlagenlektüre und schließe mich der Aussage der Autorin an,
wonach »es für professionelle Begleiter von Kindern sinnvoll und
notwendig ist, spontanes frühkindliches Verhalten zu kennen, wie es
sich in einer emotional stärkenden Umgebung zeigt.«