Rezension zu Briefe an Jeanne Lampl-de Groot 1921-1939
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Rezension von Robert Hase
Psychoanalytische Briefe an eine Holländerin, 9. Mai 2017
Das Buch ist gegliedert in eine Biografie Jeanne Lampl-de Groots,
den Briefen Freuds, einige Auszüge von Briefen Groots an ihre
Eltern und einem Essay über eine Selbstbezeichnung Freuds.
Leider hat Anna Freud ihrem Destruktionstrieb freien Lauf gelassen
und die Briefe Lampl-de Groots an S. Freud sämtlich zerstört. Da
nun die Briefe von S. Freuds Briefpartnerin fehlen, sollten seine
Briefe besonders gut editiert worden sein. Aber gefehlt, im
Vergleich zu anderen Briefwechseln Freuds ist die hiesige Edition
eher minimal und besonders in der ersten Halbmenge der Briefe
rätselt der Leser, was viele Passagen zu bedeuten haben, da Freud
natürlich auf Angaben Lampl-de Groots reagiert.
Groot machte eine Analyse bei Sigmund Freud. Leider tauchen wenig
klinische Themen in den Briefen auf. Trotzdem erhalten sie einige
Überraschungen.
Zum einen wird die Frage der Laienanalyse angeschnitten; zum
anderen, wie Freud über Siegfried Bernfeld dachte.
Freud war ein vehementer Befürworter der Laienanalyse und der
Meinung, dass die medizinische Ausbildung eher hinderlich für den
Psychoanalytiker wäre. Aber in einer Bemerkung zu Hans Sachs, der
ein Laienanalytiker war, widerlegt sich Freud selbst:
»Sie sollten auch Sachs wegen dieses Symptoms zur Rede stellen.
Endlich ist er doch kein Arzt und kann Psychotisches nicht
aufspüren« (p.69).
Mit der Entstehung der Sowjetunion bildete sich Ende der Zwanziger
Jahre eine sowjetmarxistische Fraktion in der psychoanalytischen
Linken heraus. Andere Analytiker waren sozialdemokratisch
eingestellt (P. Federn, S. Bernfeld, E. Fromm). Freud wollte nun
die bolschewistischen Marxisten, zu denen er Otto Fenichel und
Wilhelm Reich zählte, loswerden. So schreibt er in einem Brief vom
17.1.1932: »Gleichzeitig habe ich den Kampf gegen die
bolschewistischen Angreifer, Reich, Fenichel, begonnen« (p.71).
Als Reich Freuds Todestriebtheorie des Masochismus rein klinisch
widerlegte, beauftragte Freud Bernfeld, einen Gegenartikel in der
»Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse« zu schreiben.
Dieser fiel polemisch und politisch aus und hatte mit der
Psychologie des Masochismus wenig zu tun.
Nun sollte man denken, dass Bernfeld bei Freud hoch im Kurs stand.
Doch in den Briefen hält er ihm »in seinem Privatleben weiterhin
Dummheiten« vor, »er redet und handelt wie in einer Psychose, wirr,
widerspruchsvoll, gegen mich unaufrichtig. (...) Kein Wort, was er
über die oder die Analyse sagt, verdient Glauben.« Freud schreibt
über Bernfeld, er wäre »ein gottverlassener Narr und Phantast«
(p.102 ff).
In den Brieffragmenten an die Eltern geht es häufig darum, dass
diese die Analyse bei Freud finanzieren. Zweifel der Eltern, ob es
sinnvoll sei, werden widersprochen, auch wenn der Preis dafür hoch
ist.
Ausführliches Bildmaterial bereichert das Buch zusätzlich.
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