Rezension zu Sozialwissenschaftlich fundierte Beratung in Pädagogik, Supervision und Sozialer Arbeit
ÖVS news 1/2017
Rezension von Walter Schuster
Im vorliegenden Buch geht Gröning der Frage nach, welche Bedeutung
und welchen Stellenwert Beratung unter dem Fokus der
Gouvernementalität hat. Beratung bezieht sich dabei auf
sozialpädagogische Beratung, Sozialberatung, pädagogische Beratung
sowie Supervision und wird als eigene, nicht-therapeutische und
nicht-klinische Profession verstanden. Grönings Beratungskritik
schließt sowohl die Kritik an therapeutisch orientierter Beratung
als auch die Ausblendung gesellschaftlicher Bezüge ein. In einem
ersten Schritt werden historische Herleitungsstränge von Beratung
nachgezeichnet und einer Kritik unterzogen. Parallel zu
gesellschaftlichen Veränderungen wird die Transformation von einer
reflexiven, auf Mündigkeit und Selbstbestimmung ausgerichteten
Beratung hin zu Beratung als Form der Disziplinierung und
Pastoralität aufgezeigt und die Wirkmächtigkeit von
Anpassungsmechanismen herausgearbeitet. In einem zweiten Schritt
werden in differenzierter Weise gouvernementale Beratungsformate
wie Coaching, systemische Beratung oder lösungsorientierte Beratung
einer Kritik unter-zogen. Gröning kritisiert die
Methodenorientierung aktueller Publikationen und Handbücher, aber
auch von Ausbildungen, was u.a. dazu führt, dass Kontrakt und
Setting ausgeblendet werden und Beratung als Angebot verstanden
wird. Die verbreiteten Methoden orientieren sich an therapeutischen
Verfahren, was dazu führt, dass Beratung auf der Ebene einer
trivialisierten Therapie und Psychotechnik bleibt. In einem zweiten
Abschnitt verdeutlicht Gröning die Entwicklungslinien von Beratung
und Supervision anhand von Interviews mit Kurt Aurin, Anne
Frommann, Hans Thiersch und Gerhard Leuschner, also von
Persönlichkeiten, die die Entwicklungen eines Professions- und
Beratungsverständnisses entscheidend geprägt haben. Beratung wird
von ihnen als Teil einer demokratischen Diskursethik beschrieben
und theoretisch im Kontext von Erziehungswissenschaften
verankert.
Darauf aufbauend zeigt Gröning, dass Beratung, will sie als
Profession begründet werden, bei Fragen der Professionsethik
ansetzen muss, um aus dem Dilemma von Psychotechnik und
Gouvernementalität herauszufinden. Diskursleitend sind in diesem
Abschnitt Ansätze von Foucault aber auch von Bourdieu oder Negt.
Besonders wird auch auf die Bedeutung der Dimensionen von
Rechtlichkeit und Kontrakt eingegangen. Eine theoriegeleitete
Praxis wird für Beratung als zentral herausgearbeitet. In diesem
Verständnis reicht es nicht aus Techniken zu erlernen, ohne die
dahinterliegende Theorie zu beachten. Beratung braucht
wissenschaftliches Wissen sowohl als Hintergrundwissen als auch als
Instrument zur Analyse von Beratungsprozessen. Im vorliegenden Buch
entwickelt Gröning ein sozialwissenschaftlich fundiertes
Prozessmodell für Beratung abseits therapeutischer Ansätze.
Katharina Gröning ist es mit diesem Buch gelungen, einen
theoretisch fundierten Beitrag zur aktuellen Diskussion um Beratung
zu liefern, der sich sehr gut liest und gerade für Supervisorinnen
eine wichtige Reflexionsmöglichkeit für die eigene Verortung und
das eigene supervisorische Handeln erschließt.
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