Rezension zu Geht die Psychotherapie ins Netz?
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Rezension von Bettina Zehetner
Zum Einstieg in den Sammelband werden internetbasierte
Interventionen bei Angststörungen und Depression vorgestellt, als
konkretes Fallbeispiel das Online-Programm »Deprexis«, bei dem es
sehr konkret um die Erfahrung von Selbstwirksamkeit geht. Im
Artikel der bke-Onlineberatung (Bundeskonferenz für
Erziehungsberatung) wird die Entwicklung und Gestaltung intensiver
Beratungsbeziehungen durch ausführlich zitierte Passagen aus
Beratungsverläufen lebendig. Die Texte machen die Professionalität
und Sorgfalt erfahrener Onlineberater_innen deutlich.
Nach zwei technik-kritischen und eher kulturpessimistisch
anmutenden Beiträgen, bei denen der Eindruck entsteht, die Autoren
haben selbst kaum Erfahrung mit Beratungskontakten über die Medien
Schreiben und Internet (leider wird hier auch wenig aktuelle
Literatur berücksichtigt) bietet der letzte Artikel des Sammelbands
Informationen zur deutschen Rechtslage und zum Regelungsbedarf für
die so genannte »Fernbehandlung«. Psychotherapeut_innen dürfen in
Deutschland – ebenso wie in Österreich – nur in Ausnahmefällen
nicht im direkten, persönlichen Kontakt arbeiten. Das
Psychotherapiegesetz stammt in beiden Ländern aus einer Zeit, in
der das Internet noch kaum für psychosoziale Beratung genutzt
wurde, hier gilt es, behutsam und zeitgemäß zu adaptieren. Es
erscheint beispielsweise nicht sinnvoll, dass Psychotherapeut_innen
keine Onlineberatung durchführen dürfen.
Es geht nicht darum, Face-to-face-Kontakte zu ersetzen – schon gar
nicht weil es angeblich »effizienter« wäre – sondern es geht um
eine neue, eigentständige Form des Beratungskontakts, die
erwiesenermaßen neue Zielgruppen von Ratsuchenden erreicht, die
(noch) nicht bereit zu Gesprächen sind, aber Online-Angebote sehr
wohl reflektiert für sich nützen können und wollen. Es geht um eine
Ergänzung des bestehenden Angebots sowie die wichtige Funktion des
»Türöffners« für Face-to-face-Kontakte.
Eine gelassene Haltung dem nun wirklich nicht mehr neuen Medium
Internet gegenüber ist wünschenswert, um Ratsuchende dort
abzuholen, wo sie nach Informationen und Austausch suchen. Als
Initiatorin der Onlineberatungsplattform frauenberatenfrauenONLINE
(seit 2006) kenne ich aus meinem Arbeitsalltag die beeindruckende
Wirksamkeit der Beratung im Schreiben und die Intensität der
Beratungsbeziehungen, die über dieses Medium entstehen. So wie ein
Medium Beziehung nicht garantieren kann (jede_r kennt missglückende
Gesprächssituationen), kann ein Medium Beziehung auch nicht
verhindern. Für manche Ratsuchende ist die Anonymität die Bedingung
für die Kontaktaufnahme (etwa aus Schamgefühl oder aus negativen
Erfahrungen missglückter Begegnungen heraus), es wäre fahrlässig,
diesen Menschen nicht eine andere Möglichkeit der Unterstützung
anzubieten, eben das Medium des Schreibens.
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