Rezension zu Schwule Sichtbarkeit - schwule Identität (PDF-E-Book)
Lambda Nachrichten, März–April, Nr. 168, 39. Jahrgang, 1/2017
Rezension von Christian Höller
Homonationalismus
Das Buch beschäftigt sich unter anderem mit dem Homonationalismus.
Dieser Begriff wurde von der amerikanischen Queer-Theoretikerin
Jasbir Puar geprägt. Ihr zufolge beruht Homonationalismus auf der
zunehmenden Akzeptanz von Lesben und Schwulen in westlichen Staaten
als Ausdruck einer Zivilisationsüberlegenheit speziell gegenüber
muslimischen Gesellschaften, die im Gegensatz zum Westen als
weniger zivilisiert angesehen werden. In dem Buch werden einige
linke und rechte Schwulen-Aktivisten in Deutschland an den Pranger
gestellt.
Der Autor Zülfukar Çetin, der an der Alice-Salomon-Hochschule in
Berlin lehrt, schreibt: Seit die schwule Bewegung ihre Ziele zum
großen Teil erreicht hat und seit sich Deutschland bewusster als
aufgeklärt, tolerant und fortschrittlich versteht, werden
muslimische Migrantinnen von Lesben und Schwulen durch nicht
objektive Studien und Berichterstattung als »unpassend Andere«
hypersichtbar gemacht. Es werde darüber diskutiert, dass
Migrantinnen eine Gefahr für ein friedliches schwules Leben seien.
Nach Meinung des Autors wollen sich weiße Feministinnen und
männliche Homosexuelle den eigenen Zugang zu Privilegien in der
Gesellschaft sichern, indem sie muslimisch geprägte Migrantinnen
als Bedrohung imaginieren. Das Buch wird als Streitschrift für
kontroverse Diskussionen sorgen. Es macht deutlich, wie sehr sich
die derzeitige Polarisierung auch in der LSBTI-Welt ausbreitet.