Rezension zu Der andere Mann

MaennerWege.de Dezember 2/2016

Rezension von Thomas Gesterkamp

Allianzen ohne Verbitterung

Andere Blicke (und fragwürdige Bezüge) auf ein angeblich »miserables Geschlecht«

Der Gießener Psychosozial-Verlag ist im Umfeld des friedensbewegten Analytikers Horst-Eberhard Richter entstanden, eines integren und des Rechtspopulismus vollkommen unverdächtigten Moralisten. Umso erstaunlicher, dass der Verlag 2009 dem Sammelband »Befreiungsbewegung für Männer« eine Bühne bot. Aus dem Kreis der Verfasser bildete sich kurz darauf der maskulinistische Verein »Agens«; ein Teil der damaligen Buchbeiträge leistete, in der Rückschau, Vorarbeit für die heutigen geschlechterpolitischen Positionen der AfD.

Die jetzt von dem österreichischen Psychotherapeuten Josef Christian Aigner veröffentlichte Anthologie »Der andere Mann« kann insofern als verlegerischer Versuch interpretiert werden, ein beschädigtes Image aufzubessern. Den beteiligten Autoren ist dies im Gesamteindruck durchaus gelungen – auch wenn in einigen Texten oder Textpassagen die bekannten Vorbehalte gegen Gleichstellung und angeblichen »Genderismus« durchschimmern. Es überwiegt jedoch, anders als in dem Vorgängerbuch, das dialogische, auf Kooperation mit Frauen ausgerichtete Element.

Herausgeber Aigner hat sich in der Vergangenheit vor allem durch seine Forschung an der Universität Innsbruck zum Thema »Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern« einen Namen gemacht. Ihm geht es um einen »alternativen Blick auf Männer, der sie anders zeigt, als sie in Medien, Alltagsbewusstsein, Talkshows, Fachliteratur und gelegentlich auch in der Wissenschaft dargestellt werden«. Er beklagt eine pauschale gesellschaftliche Abwertung, die Männer als »miserables Geschlecht« charakterisiert. Der Beitrag liefert interessante Gedanken, leider immer wieder verknüpft mit Seitenhieben gegen die »Gendertheorie«. Es wäre nicht nötig gewesen, sich dabei ausgerechnet auf den ZEIT-Journalisten Harald Martenstein zu berufen – der sich seit Jahren in ironischem Tonfall als überheblicher Besserwisser zu Geschlechterfragen profiliert. Ebenso überflüssig ist der Bezug auf den Soziologen Walter Hollstein, der trotz einst großer Verdienste für die Männerbewegung im Alter leider in das maskulinistische Lager abgedriftet ist.

Ansonsten finden sich viele spannende Autoren und Blickwinkel. Reinhard Winter schreibt, differenziert und trotzdem parteilich wie immer, über »Jungen und ihre Problemlagen«. Ivo Knill will das »Erzählen unter Männern« befördern – was die von ihm lange verantwortete Schweizer Männerzeitung mal mehr, mal weniger gelungen umsetzt. Hans Prömper beschreibt »Männerbildung als Anders-Ort«, Eduard Waidhofer berichtet unter dem Titel »Männer leiden anders« über Erfahrungen aus der Männerberatung, Peter Stöger (nicht der FC-Trainer!) und Johannes Berchtold nähern sich dem Gender-Thema aus theologischer und philosophischer Sicht.

Hervorzuheben ist das Plädoyer von Markus Theunert für eine »andere Geschlechterpolitik«. Der Schweizer Autor und langjährige Präsident des Dachverbandes männer.ch aktualisiert auf anschauliche Weise die in seinen Büchern »Männerpolitik« und »Co-Feminismus« entwickelten Konzepte. Er wünscht sich ein Bündnis profeministischer und emanzipatorischer Strömungen in der Männerbewegung – und bezieht in diese »progressive Allianz« auch die moderaten, nicht verbitterten Teile der Väterrechtsbewegung ein.

Es bleibt zu hoffen, dass der Psychosozial-Verlag sich bei der Auswahl seiner Publikationen und Autoren künftig auf das so eingegrenzte Spektrum bezieht – und für rechtspopulistische Männerrechtler kein Forum mehr bereitstellt. Das wäre, gerade in der aktuell sehr polarisierten politischen Konstellation, sicher auch ein Anliegen des verstorbenen Spiritus rector Horst-Eberhard Richter.

Thomas Gesterkamp

www.maennerwege.de

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