Rezension zu Freud-Bashing
Psychologie heute Heft 9/2016 (September)
Rezension von Tilmann Moser
Schluss mit dem Freud-Bashing!
Thomas Köhler setzt sich kritisch mit der Anti-Freud-Literatur
auseinander
Die prominentesten Psychiatrieprofessoren der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts waren sich nicht zu schade, sich in die Schlacht zu
werfen gegen Sigmund Freuds Psychoanalyse, der sie
Unwissenschaftlichkeit, Mythenbildung, Wertezerstörung, Zersetzung
der Gesellschaft, Fälschungen und vieles mehr vorwarfen. Zum Teil,
ohne viel verstanden zu haben, aber oft mit bissigem Zorn. Andere
Autoren sprachen in zahllosen Aufsätzen und Büchern deutlicher und
dreister von Betrug, Märchenerzählungen, Lügen, Plagiat. Einige
gingen weit unter die Gürtellinie und verdächtigten Freud der
Sexsucht. Andere bezichtigten ihn, Texte im Kokainrausch
geschrieben zu haben und ein fanatischer Verächtlichmacher von
Ethik und Religion, kurz ein unwürdiger Scharlatan zu sein, der den
Untergang des Abendlandes betreibe.
Seit Jahren führt der Psychologieprofessor, Psychotherapeut und
Arzt Thomas Köhler in mehreren Büchern seinen Kampf gegen die
literarische und (schein-)wissenschaftliche Verleumdung Freuds, nun
zusammengefasst in der umfassenden Monografie Freud-Bashing, in der
er dessen Feinde, die auch seine geworden sind, entlarvt und, wie
er hofft, vernichtet. Mit gewaltiger Literaturkenntnis zitiert er
alle Methoden und Winkelzüge der Verleumdung und der vergeblichen
Widerlegungsversuche und rätselt deutend über die Motive der Gegner
Freuds. Und er gibt zu, dass er selbst gelegentlich in eine
ironische, sarkastische und zornige Sprache verfällt, nicht zuletzt
gegen C. G. Jung. In seinen späteren Schmähschriften gegen Freud
hatte dieser dem Begründer der Psychoanalyse »jüdische
Rationalität« und »Unkenntnis der ganzheitlichen Seele«
vorgeworfen.
Einer von Köhlers Hauptfeinden ist Hans Jürgen Eysenck mit seinem
Buch Sigmund Freud: Niedergang und Ende der Psychoanalyse, dessen
»toll-dreiste Beschimpfungen ... dem Leser das Blut noch Stunden
später kochen lassen«.
Der Autor ist in tiefster Seele beleidigt über die Verleumdung
Freuds auf allen polemischen Ebenen der Anti-Freud-Literatur. Er
hat eine gigantische Menge an Zitaten gesammelt und wirft sich in
langen Kapiteln, etwa gegen die verfälschenden und verständnislosen
Kommentare der Analyse des »Kleinen Hans«, in den
wissenschaftlichen Orkus. Freud selbst wird in seinen zitierten
Antworten zum leuchtenden Vorbild der Gelassenheit, aus der aber
immer wieder auch die Verletzungen und der ironische Zorn
hervorleuchten. Aus seinen Widerlegungsversuchen gegen die Kritik
spricht eine grandiose Siegessicherheit, dass die Zukunft der
weltweiten Anerkennung und Verbreitung gegen die Gegner sprechen
und sie der Lächerlichkeit preisgeben wird.
Zu rühmen ist Köhlers umfassende Kenntnis der Literatur und sein
zuweilen polemischer Scharfsinn bei der Entlarvung der
»Schmähschriften«, zu kritisieren die oft unfruchtbare Rückpolemik
gegen Autoren, die längst vergessen sind. Aber für den Autor
bleiben sie immer noch die aktuellen Feinde der hochidealisierten
Psychoanalyse.