Rezension zu Begleitende Elternarbeit in der psychodynamischen Kindertherapie (PDF-E-Book)

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Rezension von Ariane Schorn

Thema und Anliegen

Kallenbach fokussiert in ihrem Buch ein wichtiges Thema: Verdeutlicht man sich, dass kindliches Leid, damit in Zusammenhang stehende Symptome und Entwicklungsauffälligkeiten zumeist mit dysfunktionalen Interaktionsdynamiken zwischen dem Kind und seinen Eltern verbunden sind bzw. auf eingeschränkte Möglichkeiten der Eltern verweisen, dem Kind ein seiner Entwicklung zuträgliches Beziehungsangebot zu machen, so liegt auf der Hand, dass eine noch so engagierte therapeutische Unterstützung des Kindes nicht ohne ein Mitwirken der Eltern und einer Stärkung ihrer elterlichen Kompetenz gelingen kann. Vor dem Hintergrund einer solchen Verwiesenheit erstaunt es, wie wenig Aufmerksamkeit das Thema begleitende Elternarbeit in der Kinderpsychotherapie bisher erfahren hat. Eben hier setzt Kallenbach an und setzt sich konzeptionell sowie am Beispiel ausgewählter und aufgearbeiteter eigener therapeutischer Prozesse mit den komplexen Dynamiken zwischen Kinderpsychotherapie und begleitender Elternarbeit auseinander. Eine besondere Beachtung findet hierbei das Beziehungsdreieck Kind – Eltern – Therapeutin.

Aufbau und Inhalt

Das vorliegende Buch gliedert sich in sechs Kapitel, wobei Kapitel eins bis drei die theoretische Fundierung darlegen und Kapitel vier bis sechs der Vorstellung der von der Autorin durchgeführten empirischen Studie gewidmet sind.

Kapitel eins (»Zum Verhältnis von Kindertherapie und Elterngesprächen«) stellt frühe und neue Konzeptansätze der die Kindertherapie begleitenden Elternarbeit vor (Anna Freud, Melanie Klein, Donald D. Winnicott, Viviane Green, Kai von Klitzing u.a.).

Im zweiten Kapitel (»Einflussfaktoren für die Ausgestaltung von Eltern-Kind-Beziehungen«) werden die Bedeutung von unbewussten Phantasien, die Eltern auf ihre Kinder richten, ihre triadische Kompetenz und Mentalisierungsfähigkeit sowie projektive und introjektive Mechanismen in der Eltern-Kind-Beziehung als Größen diskutiert, die für die Entstehung und Qualität der Eltern-Kind-Beziehung relevant sind.

Das dritte Kapitel (»Das therapeutische Feld«) arbeitet Parameter heraus, mit denen die Interaktion der am therapeutischen Prozess Beteiligten beschrieben und aufgeschlüsselt werden können.

Im vierten Kapitel (»Methodisches Vorgehen«) stellt die Autorin die Annahmen und Fragestellungen vor, die für ihre Fallstudien leitend waren. Neben dem Erkenntnisinteresse werden hier Anlage und Methode der Untersuchung deutlich.

Das fünfte Kapitel (»Fallstudien«) stellt sich als »Herz« des vorliegenden Buches dar. Auf 130 Seiten werden hier insgesamt sechs kindertherapeutische Prozesse einschließlich der begleitenden Elternarbeit vorgestellt und reflektiert.

Kapitel sechs (»Zentrale Ergebnisse«) fasst zentrale Aspekte der Untersuchung zusammen und diskutiert diese abschließend.

Diskussion und Fazit

Das vorliegende Buch greift ein vernachlässigtes Thema auf. Viel zu wenig wurde sich bisher in der Psychotherapieforschung mit der die Kinderpsychotherapie begleitenden Elternarbeit beschäftigt. Im Mittelpunkt stehen sechs therapeutische Prozesse, die von der Autorin protokolliert und im Sinne qualitativer Fallstudien ausgewertet wurden. Der Aufbau gestaltet sich hierbei gleich: Nach einer kurzen Skizzierung der Problematik werden die Eltern und anschließend das Kind vorgestellt. Es folgen Hypothesen zur Eltern-Kind-Beziehung und eine ausführliche Darlegung des Behandlungsverlaufs bzw. der Geschehnisse und Dynamiken innerhalb einzelner Behandlungsphasen, die mit einer Zusammenfassung abgerundet werden.

Die vorgestellten Kinder – drei Mädchen und drei Jungen – sind zwischen fünf und neun Jahre alt. Diagnostisch betrachtet wird ein weites Feld kindlicher Verhaltensauffälligkeiten einbezogen: Einkoten, Einnässen, Schulängste, Depression, Störungen des Sozialverhaltens und anderes mehr. Die dargelegten Prozesse sind ausgesprochen gut lesbar und vermitteln einen lebendigen Eindruck der in den Therapien sowie zwischen den beteiligten Akteuren stattfindenden Prozesse und Dynamiken. Positiv ist auch hervorzuheben, dass Kallenbach den Mut hat, nicht nur im engeren Sinne erfolgreiche Behandlungsverläufe vorzustellen, sondern auch solche, die keinen idealen Ausgang fanden. Gerade hier wird besonders deutlich, dass es die konstruktive Mitarbeit der Eltern sowie ein »Wachsen« ihrer Be- und Erziehungskompetenz braucht.

Das vorliegende Buch lädt zum Mit- und Weiterdenken ein. So wirft z.B. eine der Fallstudien, in der häusliche Gewalt eine Rolle spielt, Fragen auf, die eine perspektivisch besser zu entwickelnde Kooperation zwischen den Hilfesystemen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und der Kinder- und Jugendhilfe betreffen.

Das Buch »Begleitende Elternarbeit in der psychodynamischen Kindertherapie« kann ich insbesondere (angehenden) Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen, aber auch Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe empfehlen, zu deren Arbeitsfeld eben auch die Elternarbeit gehört.

Rezensentin
Prof. Dr. Ariane Schorn
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
Entwicklungspsychologie, Qualitative Sozialforschung, Psychosoziale Beratung, Supervision

Zitiervorschlag
Ariane Schorn. Rezension vom 21.05.2015 zu: Gudrun Kallenbach: Begleitende Elternarbeit in der psychodynamischen Kindertherapie. Eine theoretische Konzeptualisierung. Psychosozial-Verlag (Gießen) 2014. ISBN 978-3-8379-2378-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, http://www.socialnet.de/rezensionen/17530.php, Datum des Zugriffs 27.01.2017.

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