Rezension zu Machtwirkung und Glücksversprechen
PW-Portal – Portal für Politikwissenschaft
Rezension von Björn Wagner
Bildung und Erziehung seien in einer tiefgreifenden Transformation
begriffen, die sich an Maßstäben wie Marktkonformität und
Verwertbarkeit orientiere. »Dem Förderwahnsinn auf Seiten der
Eliten«, so schreiben die Herausgeber im Vorwort, stehe dabei »die
Vernachlässigung der Abgehängten gegenüber« (10). Der Band, der auf
den Beiträgen einer gleichnamigen Tagung der Neuen Gesellschaft für
Psychologie basiert, fragt nach den konkreten Rationalitäten dieses
neuen Bildungsdiskl Vester, 133) und die sozial(politisch)e Krise
von unter anderem Themenkomplexe wie Gewaltlosigkeit und
Zivilcourage, Individualisierungsprozesse, soziale Bindungen,
mediale Sozialisation oder Rassismus behandeln, wird untersucht,
wie Bildungs und Sozialisationsmuster heute vonstattengehen. Dabei
werden sowohl sozialwissenschaftliche Perspektiven eingenommen als
auch Erfahrungsberichte aus der psychotherapeutischen Praxis
präsentiert. In vielen der Beiträge wird so zum Beispiel in
unterschiedlichen Zusammenhängen deutlich, was der Psychoanalytiker
Christoph Seidler im alltäglichen Umgang mit Patienten beobachtet:
der Weg von einer neuen Kultur der Leistungsbereitschaft hin zur
Selbstausbeutung für das vermeintlich individuelle und kollektive
Wohl ist kurz geworden. Hier schwingt bereits eine weitere
Problematik mit: Wo das individuelle Interesse am Lernen durch die
Pflicht zur Wissensakkumulation zum Ziele des Allgemeinwohls
verdrängt wird, das kollektive Wohl aber vor allem über globale
ökonomische Standortvorteile definiert wird, bereitet das auch
einer neuen Form nationalistischen Denkens den Boden (vgl. den
Beitrag von Freerk Huisken). Wie sehr wir das »unternehmerische
Selbst« bereits verinnerlicht haben, zeigt wiederum die Tatsache,
wie erfolgreich die Vermarktlichung von Liebe und Gefühlen in
jüngster Zeit vorangeschritten ist. Handelte es sich dabei früher
noch um einen privaten Rückzugsraum, um eine Basis der
kontinuierlichen identitären Rückbesinnung und
Selbstvergewisserung, betreiben wir heute mithilfe professioneller
digitaler Partnermärkte vergleichendes Risikomanagement und werden
unser eigener »Liebesunternehmer« (Schmid/Slunecko, 300). Insgesamt
bietet das Buch eine vielschichtige und anregende Lektüre zu einer
der grundlegendsten Fragen unserer Gegenwartsgesellschaft.
Björn Wagner, Dipl.-Politologe, Dresden.
Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Klaus-Jürgen
Bruder / Christoph Bialluch / Benjamin Lemke (Hrsg.): Machtwirkung
und Glücksversprechen. Gießen: 2014, in: Portal für
Politikwissenschaft,
http://pw-portal.de/rezension/38314-machtwirkung-und-gluecksversprechen_45425,
veröffentlicht am 23.04.2015.