Rezension zu Der globalisierte Mensch (PDF-E-Book)
ProZukunft 19.Jg. 2005 Nr.2
Es klingt viel versprechend, etwas über die eigenen
Befindlichkeiten infolge der Globalisierung zu erfahren, von denen
wir (angeblich) noch nichts oder nur wenig gemerkt haben. Eine der
zentralen Auswirkungen ist gegenwärtig allgemein präsent: Der Job
fürs Leben hat ausgedient, Zweit- und Drittberufe werden zum
Normalfall, hinzu kommt ein gesteigertes Erfordernis der
Selbstvermarktung. Aber nicht der Computer, nicht das Leben im
Netz, nicht die grenzenlose Mobilität hinterlassen Spuren. »Es ist
der kontinuierliche Druck der Ökonomie, der die Alltagserfahrung
verändert und den meisten Menschen immer weniger Raum für stabile
Individualität und Selbstentwicklung lässt.« (Rainer Fellmeth, S.
154) Daraus folgert die zentrale Frage des vorliegenden Bandes, wie
der »homo oeconomicus« psychisch und damit in der Gestaltung seiner
Beziehungen auf die Zumutungen der Globalisierung reagiert.
Insgesamt stellen die Herausgeber, beides lehrende Psychologen,
fest, dass die Globalisierungsprozesse die Rahmenbedingungen
sozialer wie intimer Beziehungen deutlich verändern. Diese zeigen
sich täglich in Art, Form und Gehalt von Kommunikation, in den
Raum-Zeit-Bezügen sowie im Grad der Intimität. Wir erleben ein
verändertes Kommunikationsverhalten und empfinden Privatheit unter
neuen Bedingungen.
Der Band verweigert sich insofern dem Zeitgeist, als er weder auf
Ursachen und Folgen des 11. September 2001 eingeht, noch den »Clash
of Civilisation« beschreibt und sich auch nicht dem brisanten Thema
des religiösen Fundamentalismus in Ost und West sowie der
»Abdankung der Politik gegenüber einer Wirtschaft, die arm macht«
(H. Atheld, 2003) widmet. Die Autoren konzentrieren sich vielmehr
darauf, die Auswirkungen von Globalisierung auf konkretes Handeln
und Erleben von Menschen zu beschreiben.
Christian Trapp nennt eine Reihe von Veränderungen, die das
gegenwärtige Befinden des Einzelnen prägen: Verlust von
Verlässlichkeit und Kontrolle über das eigene Leben, die Auflösung
geradliniger gesellschaftlicher Zeitstrukturen und
Entsolidarisierung. Bindungen werden immer öfter als nur auf Zeit
angelegte, letztendlich flüchtige Beziehungen gedacht und
gestaltet.
Für Kastner/Gottwald ist es die Fülle an Handlungsmöglichkeiten mit
den bekannten Auswirkungen (Orientierungslosigkeit,
Ohnmachtsgefühl), denen unsere Aufmerksamkeit gelten muss.
Besonders deutlich werden die Veränderungen in der Sphäre der
Arbeit, wenn sich der Kampf um den Lebensunterhalt in multiple
Existenzformen fächert und individuelle Ängste zunehmend
dominieren. Schließlich beschreibt Yolanda Koller-Tejeiro, wie sich
mit der Verwandlung des privaten Haushalts in einen Arbeitsplatz
neue hierarchische Verhältnisse innerhalb des weiblichen
Geschlechts ergeben, wodurch sich aber andererseits die Chance zur
Neuformierung der Verhältnisse hin zu mehr Gleichheit zwischen
Männern und Frauen eröffnet. (vgl. S. 88)
Über all die genannten Veränderungen lässt sich trefflich
Räsonieren, was aber tatsächlich jeder/jede Einzelne für oft
beschworene »gelingende Leben« tun kann, bleibt außen vor oder
verschwindet hinter abstrakten Handlungskonzepten, bei den das
Individuum lediglich angesprochen ist, sich selbst über die
Situation in der Welt ein Bild zu machen.