Rezension zu Mutterbilder
AEP-Informationen. Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, Nr. 2/2016
Rezension von Jasmine Etter
Eine gute Mutter sein – das ist ein Anspruch, den die Gesellschaft
an Frauen hat, die sich dazu entschließen, Kinder zu bekommen. Mit
diesem Mutterbild schwingen viele Rollenzuschreibungen mit, manche
sind widersprüchlich, aber auf jeden Fall schwer zu erfüllen. Es
geht um ein traditionelles Familienbild, ebenso wie um die
Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie, die das Leben vieler
Frauen bestimmt. Diese heteronormativen Geschlechterbilder prägen
unser aller Leben und aus diesem Grund ist es nötig, diese
Konstrukte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. In
diesem Band werden kulturhistorische, sozialpolitische und
psychoanalytische Theorien zum Thema Mutterbilder diskutiert.
Marita Metz-Becker wählt einen kulturhistorischen Zugang und
schreibt im Text »Mythos Mutterschaft« über die Entstehung unseres
heutigen Mutterbildes. Im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa hatten
Frauen eine unabhängige Position in der Familie; alle Geschäfte im
Haus wurden der Frau übertragen, wie zum Beispiel Landwirtschaft,
Handwerk oder Gewerbe – eine Trennung zwischen Familien- und
Arbeitsleben existierte noch nicht. Das Bild änderte sich aber mit
Ende des 18. Jahrhunderts, als das Geschlecht naturalisiert wurde
und ökonomische, kulturelle und politische Elemente in den
Hintergrund gerückt wurden. Mit der Festlegung der weiblichen
Bevölkerung auf die biologische Ebene wurde auch ein neues
Mutterbild geschaffen, zahlreiche Erziehungsratgeber wurden
geschrieben und die Aufgabenbereiche der Frauen immer mehr auf die
Familie reduziert. Selbstverständlich konnten sich nicht alle
Schichten die Mutterliebe »leisten«, aber es war ein bürgerliches
Leitbild entstanden, das bis in die Gegenwart hinein wirkt und noch
immer in unseren Köpfen existiert.
Mit dem Beitrag »Armut, Familien(leit-)bilder, Geschlechterrollen«
wählt Sabine Toppe einen sozialpolitischen Zugang. Soziale
Ungleichheit und damit verbundene Armut betreffen viele Menschen
und vor allem bestimmte Frauengruppen wie Alleinerzieherinnen und
prekär Beschäftigte. Die Autorin verknüpft Armut und Geschlecht,
indem sie den Ressourcenansatz kritisiert, der materielle Armut in
den Vordergrund rückt. Die Lage ist komplexer und neben mangelnden
finanziellen Mitteln sollte auch im Sinne der Lebenslagen-Ansätze
die Unterversorgung in Bereichen wie Gesundheit, Bildung,
Erwerbsstatus, Wohnsituation, Freizeitgestaltung etc.
berücksichtigt werden. Der Ansatz sollte um die Kategorie Gender
erweitert werden, um unterschiedliche soziale Positionen aufgrund
des Geschlechts und die damit verbunden Handlungsspielräume
sichtbar machen zu können. Familiäre Leitbilder sind auch staatlich
verankert, da Sozialleistungen im deutschsprachigen Raum immer mehr
abgebaut und privatisiert werden. Die Kleinfamilie als Norm stellt
ein Sicherheitsnetz dar, das dem Staat viele Aufgaben abnimmt. Wer
aber aus diesem Netz fällt – wie z.B. Alleinerzieherinnen – ist
aufgrund fehlender staatlicher Interventionen einem hohen
Armutsrisiko ausgesetzt. Dem vorherrschenden Mutterbild
entsprechend fehlen oftmals Kinderbetreuungsplätze, da davon
ausgegangen wird, Kinder unter drei Jahren sollten zu Hause von der
Mutter betreut werden. Das erschwert die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf enorm. Leider sieht es so aus, als ob die neoliberale
Politik weitergeführt wird und die öffentliche Erwartung an die
Familie weiter steigt, während öffentliche soziale und materielle
Leistungen reduziert werden. Diese und weitere spannende Beiträge
zeigen auf, wie sehr das Mutterbild zentral in unserer Gesellschaft
verankert ist und dass das, was wir oft für »natürlich« halten, nur
ein gesellschaftliches Konstrukt ist.
Die Rezension ist erschienen in: AEP-Informationen. Feministische
Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, Nr. 2/2016. Schwerpunkt
der Ausgabe: Flucht. Debatten & Realitäten aus feministischer
Perspektive.
http://aep.at/2016-nr-2-flucht/