Rezension zu Kinderschutz in der frühen Kindheit
Kontext. Zeitschrift für Systemische Therapie und Familientherapie 2/2016
Rezension von Martina Kruse
Bei dem vorliegenden Buch handelt sich um die deutsche Bearbeitung
des ursprünglich im und für den Schweizer Raum herausgegebenen
Originals von Mahrer, Meier, Mögel, Pedrina, Ryf und Simoni.
Angesprochen dürfen sich all diejenigen fühlen, die mit Familien
mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr arbeiten, das heißt,
Mitarbeiter/innen aus medizinischen, pädagogischen und/ oder
sozialen Arbeitsfeldern. Die Autor/innen möchten »handlungsleitende
Überlegungen« präsentieren und damit den Handelnden eine echte
Hilfestellung geben.
Eingangs wird als Grundlage der Begriff »Frühe Hilfe« näher
erläutert, es werden die Adressaten, die Grundsätze und -ideen der
Frühen Hilfen dargestellt. Das erste Kapitel bietet einen guten
Überblick über alle für den Bereich relevanten rechtlichen
Grundlagen, vom Grundgesetz bis zum Schwangerschaftskonflikt- oder
Bundeszentralregistergesetz (erweitertes Führungszeugnis).
Kapitel 2 »Frühe Entwicklung verstehen und fördern« versucht
zunächst, sich dem unbestimmten Rechtsbegriff der
»Kindeswohlgefährdung« anzunähern. Dieser Abschnitt des Buches
widmet sich ausführlich den Merkmalen früher Entwicklung, den
Entwicklungsbedingungen und Dynamiken der frühen Kindheit und wirft
einen guten Blick sowohl auf Risiken als auch auf vorhandene oder
aufzuspürende Ressourcen und hat dabei das gesamte Bezugssystem im
Blick.
Kapitel 3 »Disziplinäre Fachkompetenzen und Zusammenarbeit« betont
die Bedeutung der gelingenden Kooperation der beteiligten
Fachkräfte unter Wahrung der Grenzen der eigenen Profession. Es
wird ein Überblick über alle relevanten Berufsgruppen unter Nennung
der jeweiligen rechtlichen Grundlage gegeben. Besonderes Augenmerk
wird jedoch auf die Aufgaben des Jugendamtes und die Rolle des
Familiengerichtes gelegt. Für die zahlreichen Fachkräfte, die nicht
aus dem Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit, sondern z. B. aus dem
Gesundheitswesen stammen und im Rahmen der frühen Kindheit tätig
sind, ist der Umgang mit dem Datenschutz ein schwieriges Thema:
wann und unter welchen Bedingungen darf oder muss davon Abstand
genommen werden – auch hierzu nehmen die Autor/ innen Stellung und
erläutern die rechtliche Grundlage.
Kapitel 4 beschreibt Grundsätze und Bedingungen eines wirksamen
Kinderschutzes. Die Verfasser/innen stellen sich die Frage, ob
Kontrolle und Hilfe notwendigerweise ein Widerspruch sein müssen –
diese wird mit »Nein« beantwortet und es wird erläutert, wie die
Arbeit in diesem Spannungsfeld gelingen kann. Ebenso wird auf
weitere Spannungsfelder eingegangen: Werden Hilfsangebote zum
Zeitpunkt der Geburt als gewünschte Unterstützung oder unerwünschte
Einmischung gesehen? Wo ist die Grenze zwischen Sorgfaltspflicht
und Verhältnismäßigkeit?
Auch zum Thema Fremdunterbringung von Kindern nimmt das Buch
Stellung und erläutert, was diese Maßnahme für ein Kind bedeutet
und mit welchen Schwierigkeiten es in diesem Falle zu kämpfen hat.
Daneben werden aber auch Hinweise gegeben, was es dem Kind leichter
machen kann und was die Fachkräfte bei der Hilfeplanung beachten
können.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch um eine gut zu lesende,
verständliche Einführung in das Thema Kinderschutz. Die Darstellung
der relevanten rechtlichen Grundlagen ist gelungen und
übersichtlich. Erfreulicherweise haben die Autor/innen einen
ressourcenorientierten Blick und fragen neben den Schwierigkeiten
und Defiziten auch stets nach den Möglichkeiten und Potentialen der
Familie. Alles in allem ein empfehlenswertes Buch für Fachkräfte,
die einen ersten Überblick über das weite Feld des Kinderschutzes
bekommen wollen, aber auch für Menschen, die ihren Blick schärften
wollen und im Dschungel der Paragraphen und Gesetze den Überblick
verloren haben.