Rezension zu »Mein Name ist Bond - James Bond«

Medienwissenschaft 3/2016

Rezension von Sabine Planka

Andreas Jacke widmet sich dem Mythos James Bond und interpretiert ihn psychoanalytisch – die Publikation reiht sich so in eine Reihe Bücher desselben Autors ein, die derselben Konzeption folgen und cineastische Phänomene aus psychoanalytischer Perspektive beleuchten (beispielsweise: »Roman Polanski – Traumatische Seelenlandschaften«. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2010; »Stanley Kubrick: Eine Deutung der Konzepte seiner Filme«. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2009; »Marilyn Monroe und die Psychoanalyse«. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2005). In elf Kapiteln zeigt Jacke neben den Bezügen zwischen Ian Fleming und »seinem« Helden (Kapitel 2) unter anderem die Einbindung der Frau als Fetischobjekt, aber auch als Phallussymbol (Kapitel 3) sowie die Diskriminierung der Frau (Kapitel 6), untersucht die mitunter ödipalen Duelle zwischen Bond und seinen Antagonisten (Kapitel 5) und deren psychotische Charakterzüge (Kapitel 9), geht auf sadistische Grausamkeiten ein (Kapitel 10) und analysiert die narrativen Strukturen der Filme zwischen Krimi, Science Fiction und Actionfilm (Kapitel 9 und 11). Als erhellend erweist sich die Untersuchung der Bond-Interpretationen durch die einzelnen Darsteller, die auch auf das dramaturgische Konzept der Filme Einfluss hatten (vgl. S.67). Abgerundet wird Jackes Buch durch einen Vergleich zwischen der Figur James Bond und John le Carrés Agententhrillern sowie einem recht übersichtlichen Literaturverzeichnis und einem kommentierten Verzeichnis der Bond-Filme, die hier subjektiv bewertet werden.

Im Rahmen seiner Untersuchung kommt Jacke zu nachvollziehbaren Ergebnissen, wenn er zum Beispiel festhält, dass »Technik [das] männliche Machtstreben [potenziert]. Sie erhöht die Potenz und wird nicht selten […] direkt als phallisches Symbol dargestellt. Der ›Aufblähung‹ zur Perfektion durch die Technik entspricht nach Freud der Aufstieg des Menschen zum Prothesengott«(S.189). Besonders gewinnbringend ist der von Jacke nachgezeichnete Wandel, den die Figur durchläuft, wenn sie in den neueren Filmen eine Beziehung zur weiblichen Vorgesetzten M aufbaut, die als Mutterfigur fungiert und schließlich in Bonds Armen stirbt (vgl. z.B. S.37 und S.92/93). All diese Beobachtungen sind jedoch keineswegs neu, sondern finden sich bereits in anderen Werken, auf die Jacke rekurriert und die er hier gebündelt präsentiert (beispielsweise: Föcking, Marc/Böger, Astrid [Hg.]: »James Bond – Anatomie eines Mythos«. Heidelberg: Winter, 2012). Jacke betont die Einflüsse realpolitischer Ereignisse auf die Filmreihe – beispielsweise der Terroranschläge vom 11. September 2001. Diese hätten eine Neuorientierung der Serie nötig gemacht und so auch eine Neukonzeption der Agentenfigur ermöglicht. Aber auch dass Sean Connerys Bond den Agenten »mit den deutlichsten klassisch männlichen Attributen« (S.70) verkörpert, ist ebenso wenig ein Novum wie die Feststellung, dass erst Daniel Craig wieder diesem »Ur-Bond« in seiner Männlichkeit nahekommt und zudem dessen Körper ein »verletzbarer und gequälter« (S.88) sei, dessen Verwundungen auf psychische Traumata verweisen (vgl. ebd.). Jackes Fazit, aus »dem Dandy [werde] ein energischer Mann, der traumatische Situationen durchstehen kann und muss« (S.89), erscheint zwar logisch und folgerichtig, ist aber für den mit den Bond-Romanen und -Filmen Vertrauten nicht überraschend.

Es fällt zudem auf, dass Jacke oft zwischen den einzelnen Romanen und Filmen springt und – vor allem zu Anfang des Buches – nicht immer ganz klar wird, ob er sich auf das jeweilige Buch oder die Verfilmung bezieht. Zudem finden sich viele Wiederholungen, etwa, wenn Jacke mehrfach betont, dass die »weibliche Rolle klar definiert [sei]: Die Frau darf zwar frech, aber am Ende nicht dominant sein« (S.181), was gleichzeitig bedeutet, dass die Bond-Filme und die ihnen inhärente »oberflächliche […] Erotik […] niemals eine einfache Umkehrung der klassisch codierten Geschlechterrollen zulassen wird« (S.64). Selbst starke Frauen interpretiert Jacke als Opfer – so zum Beispiel die Bond folternde Killerin Elektra King in »The World Is Not Enough« (1999), von der Jacke schreibt, sie trete »zunächst als Opfer des Schurken und potentielles Bond-Girl [auf]. In Wirklichkeit ist sie dem Schurken aber verfallen, der ihren eigenen Vater hat ermorden lassen. […] 007 kann sich schließlich selbstverständlich befreien und King umgehend erschießen. Außerdem wird die negative Einstellung der schönen Killerin auf ihre Entführung zurückgeführt, wodurch sie dennoch als Opfer dasteht« (S.184). Auch Wai Lin in »Tomorrow Never Dies« (1997) ist zunächst eine Bond ebenbürtige Agentin, bis sie von Bond vor dem Ertrinken gerettet werden muss (vgl. S.86/87). Madonna als Fechtlehrerin in »Die Another Day« (2002) wird nur flüchtig gestreift (vgl. bspw. S.87 und S.181).

Jackes Buch wird zusätzlich geprägt durch einige Vermutungen, Hypothesen und Feststellungen, die mitunter kaum als wissenschaftlich zu bezeichnen sind. So stellt Jacke zum Beispiel in Bezug auf Moneypenny fest, dass sie in »›Live and Let Die‹ [Bond sogar] hilft […], eine bei Weitem attraktivere Italienerin vor M zu verstecken. Vielleicht liegt gerade in der fehlenden Eifersucht ihr Fehler, denn eine Frau, die einen Mann haben will, kann ihm nicht so hilfsbereit zur Seite stehen« (S.41).

Jackes Analyse und die Bündelung verschiedener Untersuchungen, die Bond unter anderem psychoanalytisch interpretieren beziehungsweise diese Interpretationsmöglichkeit eröffnen, zeichnen das vorliegende Buch als interessanten Einstieg in die Thematik aus. Dies reicht jedoch nicht aus, um das Phänomen in seiner ganzen Breite und Tiefe zu erfassen – das Buch hinterlässt stattdessen den Wunsch nach mehr.

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