Rezension zu »Mein Name ist Bond - James Bond«

Psychologie Heute, April 2016

Rezension von Manfred Riepe

Der hysterische Agent

Fällt der Name James Bond, dann läuft sofort ein Film im Kopf ab. Die 007-Reihe ist ein solides Markenprodukt, der Zuschauer bekommt, was er erwartet: Der Martini wird »geschüttelt, nicht gerührt«. Autos haben verrückte technische Spielereien. Und wenn der britische Geheimagent zu Beginn jedes Filmes scheinbar getötet wird, halten Zuschauer den Atem an.

Trotz formvollendeter Verpackung sind Bond-Filme bekanntlich ziemlich stereotyp: Es geht um Gewalt und verführerische Frauen, denen der Gentlemanspion zeigt, was ein richtiger Kerl ist. Bis in die 1990er Jahre hinein war der Agent psychologisch so flach wie eine Comicfigur. Erst nach dem Tod des langjährigen Produzenten Albert R. Broccoli gestaltete dessen Tochter Barbara die Frauenfiguren differenzierter. Auch der Agent selbst wurde verletzlicher. Sein zweitjüngstes Abenteuer »Skyfall«, in dem 007 sogar mit einem Kindheitstrauma ringt, avancierte zur kommerziell erfolgreichsten Bond-Produktion aller Zeiten.

Die Ausdifferenzierung der Charaktere macht neugierig auf eine neue »film-psychoanalytische Studie«. Andreas Jacke, Filmwissenschaftler aus Berlin, ist zwar »keineswegs ein Fan dieser Filme«, will sie aber »auf eine bisher kaum gesehene Weise« betrachten. In zwölf Kapiteln sondiert er unterschiedliche Aspekte der Bond-Welt. Anregend ist der Blick auf die Buchvorlagen. Der Bond-Erfinder Ian Fleming, ein Exgeheimagent, der als junger Mann in Wien die Psychoanalyse kennengelernt hatte, ersann sein Alter Ego in den 1950er Jahren offenbar als Kompensation für seine nicht ganz freiwillige Heirat. Mit seinen Ausflügen an exotische Orte der Welt, von Jacke gar als »Sextourismus« bezeichnet, nimmt Fleming gewissermaßen Ferien vom verheirateten Ich: »Bond heißt wörtlich ,Bindung...« Eine solche vermeidet der Agent tunlichst (eine Ausnahme bestätigt die Regel). Stattdessen spannt 007 in jedem Film einem größenwahnsinnigen Schurken die Frau aus, die, wie die von Ursula Andress verkörperte Figur im ersten Bond-Film, gar eine Anspielung auf die Liebesgöttin Venus ist. Bond ist ein erotischer Freibeuter, der mit seiner »Lizenz zum Töten« in einem rechtsfreien Raum operiert, sich aber interessanterweise immer dem Gesetz seines väterlichen (von 1995 bis 2012 zwischenzeitlich mütterlichen) Vorgesetzten M unterstellt.

Diese spannenden Aspekte werden eher beiläufig erwähnt und nicht zu einer konzisen Deutung zugespitzt. Der Autor bezeichnet James Bond abwechselnd als »zwangsneurotisch« oder »hysterisch«, redet von der »manischen Geschwindigkeit der Narration« und von einem »ödipalen Duell zwischen Ost und West«. Aufgrund dieser verkürzten Anwendung der Psychoanalyse vermag auch die Untersuchung der Bondgirls und der Schurken nicht zu überzeugen. Aufschlussreich ist Jackes Vergleich mit Spionagethrillern von John le Carre, doch auch dabei stellt er den Leser mit Sätzen wie diesem vor Rätsel: »Le Carres Welt ist die der ›Tagesschau‹« Die Studie hat ihren Reiz als Materialsammlung, deren Lektüregenuss allerdings durch stilistische Mängel eingeschränkt wird.

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