Rezension zu Körperökonomien

Ethica 3/2015

Rezension von Viola Schubert-Lehnhardt

Offensichtlich angeregt von der im Jahr 2012 entfachten Debatte in Deutschland um Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen widmen sich 12 AutorInnen verschiedenster Fachgebiete der Geschichte und Gegenwart des Umgangs mit dem menschlichen Körper und seiner Teile. Im Mittelpunkt stehen erwartungsgemäß Verfahrensweisen und (fehlende) Entscheidungen zum Umgang mit Spenderorganen in verschiedenen Ländern (insbesondere Deutschland, Mexiko, Israel). Ausgangspunkt vieler Überlegungen ist dabei, dass der Zielpunkt vieler Strategien nicht die Erhöhung der Transplantationszahlen im Sinne von »Leben retten« ist, sondern die Ausweitung eines profitablen Marktes. Der hohe Bedarf an Transplantationen soll wirtschaftlich zur Kapitalbildung genutzt werden. Mit den Worten der beiden Herausgeber: »Ein Produkt wird nicht produziert, um sinnliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um den Kapitalstock des Produzenten zu vermehren« (S.13). Dabei wird dieser Blickwinkel durch zahlreiche Exkurse in nur scheinbare Nebenthemen bereichert.

So zeigt der erste Beitrag von Janine Kopp für die Frühe Neuzeit, dass dies keineswegs ein zeitgenössisches Phänomen ist, sondern dass die Verwendung menschlicher Körperteile bereits damals einen rasanten Aufschwung erfuhr. Michaela Mayrhofer beschreibt »Das Ver-/Be- und Abhandeln von Körperproben in Biobanken«. »Wir alle verkaufen unsere Körper«, meint Rebecca Pates in ihrem Beitrag zur Sexarbeit. Unerwartet in diesem Zusammenhang, daher besonders spannend zu lesen, ist die Analyse Marcus Stigleggers zum allseits bekannten James Bond-Film »Goldfinger« – eingebettet in eine Analyse über den »Körper als Warenfetisch im Film«. Ähnlich fesselnd Simon Hofmanns Analyse der »modernen Sagen« über Organraub.

Innovativ sind auch die beiden letzten Beiträge, die nochmals die Verfügbarkeit von Körpern durch spirituelle, religiöse und/ oder weltliche Macht im Vergleich mit anderen Tauschverhältnissen untersuchen. Thomas Potthast geht dabei insbesondere der Frage nach, »unter welchen Bedingungen überhaupt von einer Kommerzialisierung des menschlichen Körpers gesprochen werden kann« (allgemein Nutzung desselben oder nur bei Kauf, Verkauf und Handel? Worin besteht die Unterscheidung zwischen »Aufwandsentschädigung« und »Kaufpreis«? »Warum darf dem Bergarbeiter für seine gesundheitsschädigende Arbeit eine Gefahrenzulage, dem (Lebend-) Nierenspender jedoch nicht einmal ein ›Honorar‹ für seinen Beitrag zur solidarischen Gesellschaft gezahlt werden?« Frank Adloff vertieft diese Überlegungen durch seinen historischen und zeitgenössischen Diskurs um den Begriff »Gabe«. Ist diese jahrhundertealte Form der Gestaltung und Erhaltung gesellschaftlicher Beziehungen heute durch Markt, Utiliarismus und Tausch an den Rand gedrängt bzw. existiert sie nur noch in der Privatsphäre?

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