Rezension zu Sucht (PDF-E-Book)
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Rezension von Prof. Dr. Dr. Andreas G. Franke
Thema und Zielsetzung
Roland Voigtel referiert im Rahmen der Reihe »Analyse der Psyche
und Psychotherapie« über Sucht und erläutert diesbezüglich
zahlreiche Aspekte aus psychoanalytischer Perspektive.
Autor
Dr. phil, Dipl.-Psych., Dipl.-Pol. Roland Voigtel beschäftigt sich
bereits seit vielen Jahrzehnten mit den Themen Psychoanalyse und
Sucht. Er war Leiter eines Modellprojekts zur Suchtprävention an
Schulen in Berlin und arbeitet heute in eigener Praxis als
psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker (DGPT/ DPG)
und Supervisor. Darüber hinaus leitet er den Schwerpunkt
Tiefenpsychologie an der Berliner Akademie für Psychotherapie.
Roland Voigtel veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche
Aufsätze zum Thema Psychoanalyse der Sucht.
Entstehungshintergrund/ Vorgeschichte
Das Buch »Sucht« ist im Rahmen der Reihe »Analyse der Psyche und
Psychotherapie« im Psychosozial-Verlag erschienen. Die Reihe
beschäftigt sich mit grundlegenden Konzepten und Begrifflichkeiten
der Psychoanalyse und stellt diese vor ihrem historischen
Hintergrund dar. Roland Voigtel leistet zu dieser Reihe einen
kompetenten Beitrag.
Aufbau und Inhalt
Roland Voigtel arbeitet die Thematik Sucht aus psychoanalytischer
Sicht auf 145 Seiten sorgsam aus und beginnt seine Ausführungen mit
einer knapp vierseitigen Einleitung über »Berührungsfurcht versus
soziale Relevanz«. Hier gibt er bereits sehr ehrlich und offen zu,
dass das Thema Sucht in der Psychoanalyse »ein ungeliebtes Thema«
ist. Bereits hier verweist er auch auf die verschiedenen
Suchtformen der substanzgebundenen und der nicht-substanzgebundenen
Sucht, um daraufhin epidemiologische Zahlen darzustellen wozu er
auf verschiedene namhafte Quellen zurückgreift. Auch vor Daten zu
Krankheits- und Todesfällen durch Sucht macht er nicht halt.
Das folgende Kapitel widmet sich dem Thema »Frühe psychoanalytische
Erklärungen« und steigt nach einer kurzen Einführung mit
Ausarbeitungen über »Ersatzlust und neuer Trieb« ein, wobei Freud
(natürlich) hochfrequent zitiert wird, wobei im Verlauf der
folgenden (Unter-) Kapitel auch andere Protagonisten aus dem
Bereich der Psychoanalyse zitiert werden. Insgesamt wird engmaschig
auf andere hoch relevante Autoren referiert. Nach mehreren
Unterkapiteln weist Voigtel darauf hin, dass trotz intensiver Suche
nach einer prämorbiden Suchtpersönlichkeit, eine solche bislang
nicht gefunden worden sei. Bevor Voigtel dies konstatiert, widmet
er sich verschiedenen psychoanalytischen Erklärungsansätzen wie
»Die Initialverstimmung«, »Selbsthass«, »Resomatisierter Uraffekt«,
»Unerträgliche Scham und Schuld« und »Die Einwirkungen der frühen
Objekte«. In diesen Unterkapiteln stellt der Autor mehrere
vornehmlich psychoanalytische Ausarbeitungen über die Entstehung
von Abhängigkeit vor. Dabei findet der Begriff der Regression
mehrfach Verwendung, da er in mehrere verschiedene erklärerische
Ansätze eingeflossen ist.
Im nächsten Kapitel widmet sich Roland Voigtel der Wirkung der
Suchtmittel, integriert aber gleichermaßen die nicht
substanzgebundene Sucht des Glücksspiels ( »Die Wirkung des
Suchtmittels: Affekte modulieren und Beziehung vermeiden«). Er
beginnt mit einem Schaubild und beschreibt die Auswirkungen
einzelner psychotroper Substanzen. Hier greift Voigtel auf mehrere
Fallbeispiele aus seiner therapeutischen Praxis zurück und
beschreibt in diesen Kontexten selbstzerstörerische
Verhaltensweisen durch den Konsum der Substanzen. Im darauf
folgenden Unterkapitel weist der Autor auf den Charakter des
Unbelebten des Suchtmittels hin, der oft übersehen werde, aber eine
nicht zu unterschätzende Bedeutung habe. Auch hier stärkt und
illustriert er seine Ausführungen durch Fallbeispiele bzw. das
Wiederaufgreifen der bereits eingeführten Fallbeispiele.
Einem weiteren Schlüsselaspekt der Sucht wendet sich Voigtel im
kommenden Kapitel zu: »Die Sucht als Abwehrsystem«. Hier fokussiert
er zunächst auf »Die verschiedenen Abwehraspekte der Sucht«, um
dann das »Eingepasste Symptom« zu thematisieren. Darunter versteht
er die dem Individuum eigene (Abwehr-) Funktion der Sucht, worunter
beispielsweise die Über-Ich-lockernde Funktion im Rahmen einer
Neurose falle. In diesem Unterkapitel bedient sich Voigtel
ausführlicher Fallbeispiele und stellt diese dezidiert und
ausführlich dar.
»Die süchtige Persönlichkeitsstörung und ihre Entstehung« stellt
das zentrale Thema des nächsten Kapitels dar, wobei sich Roland
Voigtel hier erneut sowohl substanzgebundene als auch
substanzungebundene Süchte einfasst. Er schreibt hier der Sucht
einen eigenständigen Charakter zu und beginnt seine Ausführungen
mit Entstehungsbedingungen von Süchten. Sehr differenziert stellt
er hier »primäre« Süchte mit der Sucht als »Grunderkrankung« und
der Sucht als »Symptom« bei anderen Störungen dar.
Im letzten Kapitel widmet sich Roland Voigtel dann therapeutischen
Überlegungen, nimmt die Einteilung des vorausgegangenen Kapitel
wieder auf, schenkt allerdings zuvor der »Indikation und
Diagnosestellung« sowie der »Differentialdiagnose der
symptomatischen versus der strukturellen Sucht« in zwei
Unterkapiteln Beachtung. Therapeutische Relevanz weist er neben
anderen Aspekten v.a. dem Selbst und dem Selbstwertgefühl zu.
Abgerundet wird das Buch schließlich durch eine kurze
»Schlussbemerkung«.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich genau wie die anderen Bücher dieser Reihe
sowohl an Studierende aber vor allem an ausgebildete
Psychotherapeuten aller Schulen und solche, die sich in der
Ausbildung befinden. Vorkenntnisse der psychoanalytischen
Nomenklatur und Zusammenhänge sind für die Lektüre von Vorteil.
Diskussion und Fazit
Roland Voigtel schildert versiert psychoanalytische Erkenntnisse
zur Sucht und lässt neben Freud diverse weitere Autoren v.a. aus
dem tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Bereich zu Wort
kommen. Er widmet sich mit Leidenschaft dem Thema Sucht, das von
vielen ausgespart wird oder zumindest wenig Beachtung findet.
Zweifelsohne ist eine allumfassende Darstellung der Sucht ein
schier heilloses unterfangen und in der Reihe, in der das Buch
erschienen ist, auch nicht das Ziel, dennoch findet der Leser die
zentralen Aspekte aus psychoanalytischer Sicht und erfährt auch
über Aspekte aus angrenzenden Fachdisziplinen. Dabei verliert
Roland Voigtel allerdings nie den Blick für das Wesentliche.
Das Buch ist zweifelsohne ein weiterer sehr wertvoller Bestandteil
der Reihe »Analyse der Psyche und Psychotherapie«.
Zitiervorschlag
Andreas G. Franke. Rezension vom 21.07.2016 zu: Roland Voigtel:
Sucht. Psychosozial-Verlag (Gießen) 2015. ISBN 978-3-8379-2306-3.
Analyse der Psyche und Psychotherapie. In: socialnet Rezensionen,
ISSN 2190-9245, http://www.socialnet.de/rezensionen/19069.php,
Datum des Zugriffs 30.11.2016.
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