Rezension zu Der andere Mann
Gemeinschaft der der katholischen Männerarbeit in Deutschland
Rezension von Andreas Heek
Aigner, Der andere Mann
»Schon wieder anders?!« So könnte man, erschöpft von den
Genderdebatten, Diversity-Diskussionen, Emanzipationsansagen
weiblicher und männlicher Provenienz und Gleichstellungspolitiken
ausrufen, wenn es um Männlichkeit geht. »Ja, zum Glück«, möchte man
antworten, denn dieses Buch versucht, es sich mit der sogenannten
»neuen Männlichkeit« nicht zu leicht zu machen. »Anders« heißt für
die Beiträge in diesem Sammelband von verschiedenen Aufsätzen und
Essays vor allem anders als die Skepsis gegenüber der These von der
erworbenen, ererbten Männlichkeit, die überwunden werden müsse, um
zu echter Geschlechtergerechtigkeit zu kommen.
Zum Glück ist vieles anders geworden, als in den 60er Jahren, in
denen der Mann angeblich noch wusste, was ein »richtiger Mann« ist.
Vieles ist sogar besser geworden, differenzierter, dank der »neuen
Männlichkeit«. Aber auch die »alte« Männlichkeit kannte Fürsorge,
Warmherzigkeit und Empathie. Brutalität und körperliche Züchtigung
sind heute zum Glück Tabu (wenn auch nicht aus der Welt). Aber die
positiven Eigenschaften von Aggression und Autorität
herauszuarbeiten, so wie es beispielsweise Hans-Geert Metzger in
seinem Beitrag »Der strukturierte Mann« (95 ff.) tut, ist zwar
möglicherweise nicht mainstreamfähig, aber notwendig, um das
Lebensgefühl, die Diversität von Männlichkeit und deren Wert
herauszuarbeiten, z.B. in der Erziehung von Kindern.
Und so geht es im ganzen Buch zu. Männlichkeit wird nicht auf ihre
modernen Stereotypen gewünschter Männlichkeit hin untersucht,
sondern auf das hin, was sie derzeit als Lebensgefühl ausmacht,
nämlich ein Mosaik von Erbmasse, Hormonen, sozialem Lernen,
persönlichem Nachdenken und Hinterfragen und der Freude am Leben,
der Sexualität und dem Wunsch nach einer erfüllten
Lebensgestaltung. Die Zeiten der Ironisierung der Männlichkeit in
der Werbung scheint vorbei, vielmehr sprießen seriöse
Männermagazine wie Pilze aus dem Boden (»Dad«, »Zeit-Magazin
Mann«), mindestens ein Fernsehsender (DMAX) widmet sich fast
ausschließlich Themen, die Männer interessieren, ohne rot zu
werden. Gleichzeitig haben moderne Männer Gleichstellungspolitiken
im Blick (vgl. Markus Theunert »Die andere Geschlechterpolitik«, S.
165 ff.) und werfen einen theologisch differenzierten Blick auf das
Gender-Mainstreaming (vgl. Peter Stöger, »Geist und Geistin«, S.
213 ff.).
Allerdings zeigt gerade der Aufsatz von Stöger, auf welch
schwierigem Terrain sich die Reflexion über Männlichkeiten bewegt.
Wenn »der Mann« anders sein kann und darf, als erwünscht, heißt
dies noch nicht, die Diversität der Definition von »männlich« und
»weiblich« zu negieren und beispielsweise vor einer Auflösung der
traditionellen Ordnung der Familie zu warnen, wenn die
traditionellen Vater- und Mutterbilder anders definiert werden und
dies mit psychoanalytischen Methoden getan wird, die, gelinde
gesagt, hinterfragbar sind. Gender-Mainstreaming als Waffe gegen
die Familie einzusetzen, macht es sich auf jeden Fall zu
einfach.
Zu einem angemessenen Querdenken gehört vielmehr die Erinnerung,
dass die Reflexion über das eigene Mannsein vor allem nicht
prinzipiell betrieben werden kann, sondern etwas höchst
Persönliches ist. Das untersucht Hans Prömper beispielsweise ( »Vom
Glück, ein Anderer zu sein«, S. 189), wenn er die Qualität der
Männerarbeit und Männerbildung als »Anders-Ort« beschreibt, als
einen notwendig exklusiven Ort, wo »der Mann« seine ganz
persönliche Identität suchen und finden kann, und dies in
solidarischer Gemeinschaft mit anderen Männern. Diese Männer-Orte
sind der Weg, den »anderen Mann« zu finden und die Schönheit und
Wert von Männlichkeit wiederzuentdecken.
Bedeutsam scheinen mir auch Hinweise zu Genderaspekten in der
Männerberatung. »Doing Gender« als Strategie geschlechtergerechten
Zugehens auf Problemlagen von Männern ist von großer Bedeutung. Die
latente bzw. offen ausgesprochene Abwertung männerspezifischer
Bewältigungsmuster hat noch keinem Mann aus seiner Hilflosigkeit
herausgeholfen. Wohl aber das einfühlsame, mitgehende Dabeibleiben,
wenn der Mann zum Sprechen kommt. Dies wird in den Beiträgen
beschrieben, die sich explizit mit der immer mehr an Bedeutung
gewinnenden Beratung und Therapie für Männer von Männern
beschäftigen (z.B. Eduard Waidhofer »Männer leiden anders«, S.
139ff. und Gotthard Bertsch & Martin Christandl, »Einfach Männer«,
S. 127 ff.).
Das Buch versucht eine Gratwanderung. Einerseits wollen sich die
Beiträge nicht der Forderung nach einer Angleichung der
Geschlechterrollen verschließen, die vor allem Konsequenzen für die
Rollenfindung als Partner und Vater haben. Andererseits wenden sich
viele Autoren gegen eine Gleichmachung, die viele Männer in ihrem
Leben nicht verwirklichen wollen und können, weil sie sich ihrer
»sozio-biologischen Erbmasse« bewusst sind, die sie nicht
überwinden, sondern in eine zeitgemäße Form »übersetzen« wollen.
Dies wäre Im Übrigen ein überaus erwachsener Umgang mit der eigenen
Biographie.
Männer seien einfach anders, so die nicht neue, aber mit vielen
Argumenten vorgetragene These dieses Sammelbandes. Er ist ein
wertvoller Beitrag für eine differenzierte Diskussion in der
Genderdebatte und trägt dazu bei, die bunte Vielfalt möglicher
Männlichkeiten (wieder) zu entdecken. Für Männerarbeiter und
-seelsorger, aber auch für theoretische Männerforscher/innen eine
unbedingt empfehlenswerte Lektüre.
Dr. Andreas Heek
http://kath-maennerarbeit.de