Rezension zu Sexualität und Autismus (PDF-E-Book)
Psychosoziale Umschau 31. Jahrgang Heft 04.2016
Rezension von Michael Konrad
Sexualität zum Thema machen
Lena Lache: Sexualität und Autismus
Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) erhalten zunehmend
Leistungen im Rahmen der gemeindepsychiatrischen Versorgung.
Insbesondere das ambulant Betreute Wohnen nutzen immer mehr
Personen mit Asperger-Autismus. Das psychiatrische
Versorgungssystem ist mit einem neuen Phänomen konfrontiert.
Menschen ohne Intelligenzminderung, aber mit einer unverrückbaren
Behinderung, mit der sie bei der Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben zurechtkommen müssen. Die UN-Behindertenrechtskonvention
gewährt Menschen mit Behinderung die volle Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben. Das bedeutet auch Partnerschaft und
Sexualität. Wenn die sexuelle Entwicklung aber durch die
Behinderung beeinträchtigt wird, bedeutet das eine besondere
Herausforderung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für
Angehörige und Professionelle.
Das Verdienst des vorliegenden Buches von Lena Lache ist der
doppelte therapeutische Zugang. Zum einen vonseiten der
Psychoanalyse, in der die Entwicklung zum erwachsenen Menschen
anhand der psychosexuellen Reifung erklärt wird. Zum anderen
vonseiten der Unterstützten Kommunikation, mit der Menschen mit
sprachlicher Einschränkung erreicht werden können. Eine absolut
notwendige Ergänzung, man stelle sich eine Autisten auf der Coach
vor. Durch den psychoanalytischen Zugang vermeidet die Autorin
erfreulicherweise die Reduktion der Sexualität von Autisten auf ein
»technisches« Problem.
Ein weiteres Verdienst ist eine gut lesbare Einführung in die
Phänomene der Autismus-Spektrum-Störungen, insbesondere in die
damit verbundenen Kommunikationsprobleme sowie die
psychoanalytische Theorie der psychosexuellen Entwicklung. Darauf
aufbauend werden die besonderen Einschränkungen der
Autismus-Spektrum-Störungen auf die psychosexuelle Entwicklung und
Sexualisation herausgearbeitet und die für die gesellschaftliche
Teilhabe notwendigen Unterstützungsmöglichkeiten entwickelt. Die
Unterstützte Kommunikation kann hier eine große Hilfe darstellen,
wie mit einigen Piktogrammen erläutert wird.
Das Buch ist eines von mehreren »dünnen« Taschenbüchern des
Psychosozial-Verlags, die in gut verständlicher Weise in ein
komplexes Thema einführen. Es gibt Angehörigen und Betreuenden –
rechtlichen und fachlichen – einen Überblick, lädt aber
gleichzeitig zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Thema
Autismus sowie dem Thema Sexualität bei Behinderung ein.
Michael Konrad, Ravensburg