Rezension zu Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit (PDF-E-Book)

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Rezension von Thomas Adamczak

»Schau mir in die Augen. Es ist o.k., wenn du Angst hast. Ich habe auch Angst. Aber wir haben aus unterschiedlichen Gründen Angst. Ich habe Angst vor dem, was ich nicht erreichen werde. Du hast Angst vor dem, was ich vielleicht erreichen könnte. Schau mich an. Ich will nicht, dass ich dort ende, wo ich angefangen habe.

Ich will nicht, dass ich dort aufhöre, wo ich begonnen habe. Ich weiß, was in mir steckt, auch wenn du das jetzt noch nicht sehen kannst. Schau mir in die Augen. Ich habe etwas, was wichtiger ist als Mut. Ich habe Geduld. Ich werde das werden, was ich bin, ich weiß, was ich bin.«

Das ist der Videotext der Werbung von Michael Jordan in der erfolgreichsten Werbekampagne aller Zeiten, einer Werbekampagne von Nike, die das Credo des neoliberalen Selbst verdeutlicht: »Just do it«.

Carlo Strenger, Professor für Psychologie und Philosophie an der Universität in Tel Aviv, demonstriert anhand dieses Werbeslogans eine zentrale These in »Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit. Das Leben in der globalisierten Welt sinnvoll gestalten«.

Anknüpfend an die Existentialphilosophie, auf deren wichtigste Vertreter Kierkegaard, Dostojewski, Heidegger, Jaspers und Sartre der Autor eingeht, formuliert er die Frage: »Wie können wir einen Sinn erfahren in einem Universum, das uns prinzipiell gleichgültig gegenübersteht?«

Carlo Strenger, der eine Praxis für Existenzielle Psychoanalyse führt, beantwortet diese Frage aus der Sicht der Experimentellen existenziellen Psychologie (EEP). Im Bewusstsein unserer Endlichkeit sollten wir unsere prinzipielle Freiheit sehen und Verantwortung übernehmen für unser Leben und unsere Identität, ohne die Begrenzungen unserer menschlichen Existenz und die Unvermeidlichkeit der Erfahrung des Scheiterns angesichts dieser Grenzen auszublenden.

Für Strenger geht es darum, konstruktive Lösungen für unvermeidliche Spannungen und Konflikte zu finden, die daraus resultieren, dass wir bei »grundlegenden Parametern unseres Lebens keine Mitsprachemöglichkeit« haben (zum »Rohmaterial« des Lebens gehören z.B. Sprache, Familie, Religion und Kultur).

Zwischen der »Faktizität« (dem »Sosein«) unseres Lebens und dem Bewusstsein unseres Selbst bestehe eine Spannung, die sich aus einem Imaginationskern der menschlichen Seele ergebe, der sich dagegen wehre, dass die von uns erfahrene Welt nicht unseren Wünschen, Bedürfnissen, Vorstellungen entspricht.

Zu unserer Existenz gehört das Gewahrsein von Freiheit, nach Foucault immer ein wenig mehr Freiheit, als wir annehmen. Insofern können wir uns auf einen »mühevollen Prozess, der Disziplin erfordert und die Fähigkeit, seelischen Schmerz auszuhalten«, einlassen, um »Urheber unseres eigenen Lebens« zu werden, also uns bemühen, »jene Aspekte der Realität neu zu erschaffen, die für uns - manchmal nur in unserer Fantasie, manchmal tatsächlich - unerträglich oder verhängnisvoll sind«.

Wünschenswertes Ziel sei »aktive Selbstakzeptanz«. Diese erfordere Antworten auf Fragen wie: »Was ist das zentrale Thema eines Lebens?« »Was ist mir wichtig?« »Was ist mein Ort in dieser Welt?« »Worum geht es mir in der Tiefe?«

Solche und vergleichbare Fragen resultieren nach Strenger aus der Akzeptanz des Todes und der Endlichkeit. Wenn ich weiß, dass ich sterben werde, meine Zeit auf der Erde demnach begrenzt ist, dann will ich meine Zeit nicht vergeuden, schon gar nicht verplempern, sondern ich konzentriere mich auf für mich Wesentliches.

Nicht alle hätten das Gefühl, konzediert Strenger, dass sie ein zentrales Thema brauchen, das zum Organisationsmittelpunkt ihres Lebens wird.

Zurück zur Werbung von Nike! Den Homo Globalis quälen ständige Zweifel: »Bin ich gut genug?« »Ist meine Karriere so glanzvoll, wie sie sein sollte?« Der Autor vermutet, dass viele Menschen »in der globalisierten Welt an tiefgreifenden existenziellen Angststörungen und dem fortwährenden Gefühl (leiden), dass sie kein Leben leben, das wirklich einen Sinn hat«.

Darauf reagiert die Konsumentenwerbung von Nike in exemplarischer Weise. Michael Jordan spricht das Bedürfnis der Menschen an, wichtig zu sein, eine Bedeutung zu haben. 99,9999 % von uns wüssten nicht und werden es vermutlich nie wissen, was Erfolg in der Größenordnung, wie ihn Michael Jordan gehabt hat, bedeutet. Doch Michael Jordan hat Angst gehabt, sagt die Werbung, ob er das schafft, was er sich vornimmt, und hat Angst, einiges nie erreichen zu können.

Wir alle hätten eine vergleichbare Angst, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Michael Jordan spricht das neoliberale Glaubensbekenntnis unverblümt aus: Alles ist möglich, alles ist erlaubt, man muss es nur wollen, um das aus sich herauszuholen, was in einem steckt. Dafür brauche es Geduld. Dann werde man das, was man sei, was man tief in sich verspüre.

Für einen solchen Vorsatz, den Michael Jordan vollmundig ausspricht, braucht es Risikobereitschaft. Das sagt der Videotext nicht, das aber muss das neoliberale Selbst schmerzhaft lernen. (siehe dazu: Philip Mirowski, Untote leben länger, Berlin 2015).
Die Devise lautet demnach: »Just do it«.
Auf, los! Nur Mut!

Was will Nike? Natürlich zum Kauf verführen. Nike verspricht mit seiner Werbung, das Geheimnis der Selbstoptimierung lüften zu können. Kaufe dieses Produkt, kaufe jenes usw. und du wirst den Zauber der Selbstverwandlung an dir selbst erfahren!

Carlo Strenger versteht sich, wie erwähnt, als Vertreter der EEP (Experimentelle existenzielle Psychologie). Die EEP verkörpert ein Forschungsparadigma, das sich im Rahmen der Sozialpsychologie und der Motivation-und der Persönlichkeitstheorie entwickelt hat und auf Ernest Beckers Ideen gründet.

Ernest Becker hat sich intensiv mit der zentralen Bedeutung des Todes und der Überwindung der Todesfurcht beschäftigt. Die zentrale These der Experimentellen existenziellen Psychologie lautet, nur ein Geschöpf, das wisse, dass seine Zeit begrenzt sei, könne die Frage stellen: »Lebe ich ein lebenswertes Leben?«

Strenger führt aus, dass es für die existenzielle Psychologie »im Wesentlichen drei Wege gibt, die uns helfen, uns gegen das Entsetzen zu wappnen, dass wir angesichts des Todes empfinden: zum einen die Bindung an Menschen, die für uns bedeutsam sind - Ehepartner, Familie und nahe Freunde; zum anderen die Stärkung unserer Selbstachtung; und schließlich das Festhalten an einer Kultur und einer Weltanschauung, die unserem Leben einen Sinn geben.«

Der Autor geht auf Möglichkeiten der Stärkung der Selbstachtung ein. Die jeweilige existenzielle Problematik, die unser Leben bestimme, könne nicht gelöst werden im Sinne der Lösung einer Gleichung, sondern wir können uns lediglich in einem mühsamen und schmerzhaften Prozess um einen konstruktiven Umgang mit dieser existenziellen Problematik bemühen.

Bei seinen Überlegungen zur Stärkung der Selbstachtung hat Strenger wohl primär die globalisierte, kreative Schicht im Sinn und weniger die Millionen Flüchtlinge bzw. das weltweite Prekariat. Anhand dieser Personengruppe zu erläutern, was er unter »reflektierendem Individualismus« versteht, für den er plädiert, dürfte aufschlussreich sein.

Im III. Teil des Buches thematisiert Strenger die geistigen und emotionalen Fähigkeiten eines potentiellen Weltbürgers, die benötigt würden, um in der globalisierten, vernetzten Welt verantwortlich leben zu können. Strenger geht in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Weltanschauungen ein. Weltanschauungen, er unterscheidet zwischen offenen und geschlossenen, haben aus der Perspektive der existenziellen Psychologie die wichtige Funktion, Todesangst abzuwehren, wobei Religionen gegenüber den säkularen Bedeutungssystemen für die Mehrzahl der Menschen einen deutlichen Vorsprung hätten.

Erstaunen lässt das Zahlenmaterial, das Strenger ausbreitet.
Neuere Untersuchungen besagen, dass etwa 85 % der Weltbevölkerung religiös sind. Zum Christentum zählen zwei Milliarden, zum Islam 1,5 Milliarden, zum Hinduismus etwa neunhundert Millionen und zum Buddhismus ca. 375 Millionen. Diese vier Religionen machen mehr als 70 % der Weltbevölkerung aus. 12-15% sind Atheisten bzw. Agnostiker.

Was bedeutet diese Konstellation für ein verantwortliches oder gar wünschenswertes Zusammenleben in der globalisierten Welt?

Milliarden von Menschen haben Glaubensüberzeugungen und vertreten sie. Diese Überzeugungen erscheinen Milliarden oder Hunderten von Millionen von Menschen nicht plausibel, um es vorsichtig zu formulieren.

Strenger verdeutlicht die Brisanz dieses Sachverhalts durch den Verweis auf unser persönliches Umfeld. Wie kommen wir, fragt er, mit der Tatsache zurecht, dass Freunde/Bekannte Glaubenssystemen oder Weltanschauungen anhängen, die wir ablehnen, für falsch oder gar irrational halten?

Die Antwort des Relativismus, der sich um sogenannte politische Korrektheit bemüht, lehnt Strenger ab. Dessen Überzeugung, dass es mehr als nur eine Wahrheit gebe, die sich widersprechen, bedeute, dass man nur begrenzt darüber diskutieren könne, man bestimmten Debatten also aus dem Weg gehen sollte.

Dagegen vertritt Strenger einen nicht relativistischen Pluralismus philosophischen Pluralismus. Dabei bezieht sich Strenger auf Isaiah Berlin, der darauf verwiesen hat, dass Werte, wiewohl sie objektive Gültigkeit haben, miteinander in Widerspruch geraten können.

»Wir halten Freiheit und Gleichheit für hohe Werte, aber sobald wir dem einen höheren Wert einräumen, begrenzen wir den Wert des anderen. Wir halten Authentizität und Loyalität für hohe Werte, aber sie stellen einander widerstreitende Forderungen an uns, und es gibt kein Verfahren, dass uns die Entscheidung abnimmt und uns die perfekte Antwort gibt.«

Isaiah Berlins »Wertepluralismus« macht einsichtig, dass es für die Frage, wie wir leben sollen, keine »perfekte Lösung« geben kann, »weil wir immer zwischen konkurrierenden Werten wählen müssen«. Diese Schlussfolgerung ließe sich am Beispiel von politischen Grundanschauungen wie Liberalismus, Sozialismus/Sozialdemokratie, Kommunismus unschwer konkretisieren.

Viele Menschen distanzieren sich im Laufe ihres Lebens von Glaubensüberzeugungen oder Weltanschauungen, die sie früh im Leben übernommen haben. Von uns selbst können wir wissen, wie schwer es zu ertragen ist, wenn eine über lange Zeit bewahrte Sicht auf die Welt zerfällt und wir Grundüberzeugungen revidieren müssen.

Wünschten wir uns nicht, wenn wir uns mit revidierten eigenen Weltanschauungen oder Glaubensüberzeugungen konfrontieren, eine freundliche, möglichst humorvolle und nachsichtiger Haltung bei der Bewertung unserer ehemaligen Sichtweisen?

Das ist der Ansatzpunkt von Strenger. Er plädiert für einen zivilisierten, d.h. auf alle Fälle gewaltfreien Umgang miteinander, ohne allerdings darauf zu verzichten, unmoralische, absurde oder irrationale Überzeugungen zu benennen. Strenger verweist in dem Zusammenhang auf seine Bemühungen, in der Auseinandersetzung mit jüdischen Ultraorthodoxen und Anhängern des politischen Islam »zivilisierte Verachtung« zum Ausdruck zu bringen.

Diese zivilisierte Verachtung könne »produktiv sein«, wenn man sich bemühe, gleichzeitig »dauerhafte menschliche Bindungen herzustellen«.

Dafür sei allerdings geistige Disziplin erforderlich, eine Disziplin, die für eine »Weltbürgerschaft« wesentliche Voraussetzung sei, um »eine fruchtbare Zusammenarbeit über die Kluft ideologischer Trennlinien hinweg« zu ermöglichen. Strenger versichert, dass Ultraorthodoxe eine solche Haltung der zivilisierten Verachtung akzeptieren könnten.

Oft hat er zu hören bekommen: »Obwohl du deinen Ärger über uns Luft machst, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, ist das, was du sagst, doch nie ohne menschliche Wärme. Wir können damit gut leben.«

Carlo Strenger sieht sich mit seiner Position in der Tradition von Voltaire, den er als Vorbereiter und Wegbereiter der europäischen Aufklärung außerordentlich schätzt. Voltaire soll zu einem katholischen Geistlichen gesagt haben: »Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gebe meinen letzten Blutstropfen dafür, dass Sie sie sagen dürfen.«

Es stellt sich die Frage, ob eine solche Haltung eine realistische Perspektive für den künftigen »Weltbürger« ist. Ärger, Wut, Kränkung auszuhalten und Verachtung zu empfinden, ohne die Kommunikation abzubrechen mit denjenigen, die unsere Ansichten nicht respektieren und deren Ansichten wir nicht respektieren können? Kann das jemals funktionieren?

Die Fatwa, die die Hinrichtung Salman Rushdies wegen der »Satanischen Verse« verlangt, ist ein Beispiel, wie schwer es offensichtlich fallen kann, mit Ärger, Hass, dem Gefühl der Kränkung wegen einer empfundenen Respektlosigkeit gegenüber dem Propheten Mohammed klarzukommen.

Die Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh, die islamistischen Attentate in Madrid, London und Paris sind weitere Beispiele für religiös motivierte Gewalttätigkeit.

Die Terroranschläge am 11. September 2001 sind nur zu verstehen als Folge des Aufrufs von Osama Bin Laden, den Islam vor den verderblichen Einflüssen des Westens zu bewahren.

Selbstmordattentate zeigen für Strenger, so extrem sie sein mögen, im Grunde nur, wie tief das Bedürfnis nach Sinn und Bedeutung in der menschlichen Natur verankert ist. »Mehr als alles andere brauchen wir Menschen das Gefühl, dass wir ein Leben führen, das zählt und einen Sinn hat. «

Osama Bin Laden, das muss zur Kenntnis genommen werden, war ein tief religiöser Mann. In der Vorbereitung ihrer Attentate beten die Täter in der Regel.

Alle aufgeführten Beispiele und die jüngsten Aktivitäten des IS zeigen, wie weit der Weg noch sein dürfte bis zu einer Verwirklichung der Vision von Carlo Strenger.

Erwähnt wird von Carlo Strenger, dass einige Vertreter der existenziellen Psychologie behaupten, Ideologien, Religionen und Weltanschauungen seien »zwangsläufig destruktiv«, denn »der Versuch, die eigene Weltanschauung zu verteidigen«, führe »zwangsläufig zu einer Haltung der Intoleranz … zu einer Bereitschaft, grausam gegen andere vorzugehen und Zerstörung, Leiden und Tod auf der Erde zu verbreiten«.

Der Autor schließt sich dieser fatalistischen Haltung nicht an, sondern stellt die Frage, ob es ein Prinzip gebe, dass die meisten Bewohner der globalisierten Welt akzeptieren könnten und das dazu beitragen könnte, unsere Erfahrung von Sinn zu vertiefen. Was könnte die Bewohner der globalisierten Welt verbinden? Könnten sie eine gemeinsame Sache vertreten, die ihnen allen »heilig« ist?

Helfen könnte, das skizziert Strenger am Ende des Buches, eine WIN-WIN Interaktion zwischen den Vertretern verschiedener Weltanschauungen. Helfen könnten die Entwicklung einer »Art Universalreligion« oder zumindest ein universell akzeptierter Wertekanon, also eine universalistische Konzeption von Humanität.

Aber dafür müsste, dieser Forderung Isaiah Berlins schließt sich Strenger an, die verhängnisvolle Überzeugung, dass es »irgendwo, in der Vergangenheit oder in der Zukunft, in der göttlichen Offenbarung oder im Geiste eines einzelnen Denkers, in den Verlautbarungen der Geschichte oder der Naturwissenschaft oder in dem einfachen Gemüt eines unverdorbenen braven Menschen eine endgültige Lösung gibt«, überwunden werden.

»Diese uralte Überzeugung beruht auf der Vorstellung, alle positiven Werte, an die Menschen je geglaubt haben, seien letztlich miteinander vereinbar und würden sich vielleicht sogar logisch auseinander ergeben.« (Berlin, I.; Freiheit. Vier Versuche, 2006; S. 255f).

Carlo Strenger gibt zu bedenken, ob wir uns nicht von der Überzeugung, es könne jemals eine absolute Gültigkeit von Werten geben, verabschieden müssen. Es gebe allerdings ein unstillbar erscheinendes metaphysisches Bedürfnis, endgültige Lösungen zu finden, demnach auch von endgültigen Wahrheiten auszugehen.

Dieses Bedürfnis sei allerdings eine der schlimmsten Quellen des uns von Menschen auferlegten Leidens. Wünschenswert wäre stattdessen, wenn wir Menschen uns mit der relativen Gültigkeit von Überzeugungen und eigener Wertvorstellungen begnügten.

Der Autor kann auf der letzten Seite seiner Veröffentlichung der Versuchung nicht widerstehen, seinen Mitmenschen, also uns allen, zuzurufen:

»Ihr Bewohner der globalisierten Welt, vereinigt euch!« Vielleicht wird die gebündelte Kreativität derer, die begreifen, dass die Menschheit durch ein gemeinsames Schicksal vereint ist, noch einmal den Sieg davontragen. Nicht indem sie mit Andersdenkenden rivalisieren und sie vernichten, sondern indem sie eine neue Form der Solidarität entwickeln - Solidarität mit der gesamten Menschheit, einer Spezies, die ein blindes Schicksal in die Abgründe des Genozids und der Umweltkatastrophe geführt hat und zugleich zu den höchsten Höhen individueller und kollektiver Schöpferkraft - eine Schöpferkraft, die alles übersteigt, was unser von Narben übersäter Planet je gesehen hat«

Eine neue Form von Solidarität, möchte ich zurückfragen, eine »neue Form von Solidarität« angesichts der jüngsten Erfahrungen in der europäischen Flüchtlingskrise, angesichts von weltweit sechzig Millionen Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten?

Und angesichts eines weltweiten Prekariats, dessen Zahl in die Milliarden gehen dürfte. Müssten diese Menschen nicht vordringlich gefragt und gehört werden, welche »neue Form von Solidarität« sie sich wünschten.

Auch wenn die Realität immer wieder das Gegenteil zu beweisen scheine, möchte Carlo Strenger an Sigmund Freuds Aussage festhalten: »… Die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör geschafft hat« (Freud, S. 1927. Die Zukunft einer Illusion. Studienausgabe. Frankfurt A. M. 1974, Bd. 9, 135-189. Zitiert nach: C. Strenger, a.a.O. S., S. 286).

Das zaghafte Nicken des Rezensenten können Leserinnen und Leser leider nicht sehen.
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