Rezension zu Musik und Demenz

pflegen: Demenz. Zeitschrift für die professionelle Pflege von Personen mit Demenz Nr. 36, 3. Quartal 2015

Rezension von Angelika Feichtner

Das innovative und äußerst interessante Programm »Music for Life« bringt seit 1993 Musiker*, an Demenz erkrankte Menschen, Pflegende und Wissenschaftler zu kreativen musikalischen Workshops zusammen. Das Ziel dieser Workshops ist, die Beziehung zwischen den Menschen mit Demenz und ihren Pflegepersonen zu fördern und zu stärken. Das Besondere an diesem Zugang ist, dass Patienten und Pflegende als eine Gruppe betrachtet werden. Das Verbindende des gemeinsamen Musizierens lässt die Grenzen zwischen den Betreuern und den Menschen mit Demenz verschwimmen. Dieser aufregend neue Ansatz wird anhand einer Reihe von interaktiven Musikworkshops mit kreativen musikalischen Improvisationen in Einrichtungen für Menschen mit Demenz dokumentiert. »Musik und Demenz« ist zugleich aber auch die Dokumentation einer Studie über die Interaktion zwischen Menschen mit Demenz und Musik. Im Buch ist diese systematisch-empirische Untersuchung sorgfältig dokumentiert. Durch Feldbeobachtungen, Interviews und dokumentierte Gespräche sowie Belege aus den Reflexionstagebüchern werden die Leserinnen und Leser eingebunden. Diese Vorgehensweise macht den oft erstaunlichen Prozess nachvollziehbar. Selbst die Transskripte der Rahmenkompositionen für die Sitzungen sind dokumentiert. Es werden aber auch viele berührende kleine Geschichten erzählt, wie es durch Musik gelingen kann, alle Beteiligten – die Menschen mit Demenz, ihre Pflegepersonen und auch die Musiker – in einem gemeinsamen Lernprozess zu verbinden. In den beschriebenen Workshops wird gleichsam ein musikalischer Raum geschaffen, ein Raum, in dem die musikalische, nonverbale Kommunikation zur Norm wird und damit demenziell veränderte Menschen integriert.

Musik gilt als Königsweg in der Kommunikation mit Demenzkranken. Gemeinsames Musizieren kann einen Dialog aufrecht erhalten, auch wenn Worte fehlen. Sich im musikalischen Kontakt zu erleben, kann zu einer heilsamen Erfahrung für Menschen mit Demenz werden. Als in der Demenzbetreuung erfahrene, aber musikalisch leider nicht kompetente Rezensentin, bin ich zutiefst beeindruckt von der empathischen Zuwendung, der Feinfühligkeit und dem Respekt, den die Musiker den dementiell veränderten Menschen entgegenbringen. »Musik und Demenz« wurde primär für Musiker geschrieben, aber die Ergebnisse der vorgestellten Studie und die Nachvollziehbarkeit des Entwicklungsprozesses aller Beteiligten sind auch für Pflegepersonen wertvoll und sehr inspirierend. Allerdings ist das Werk keine Anleitung zum eigenen Einsatz von Musik in der Arbeit mit Menschen mit Demenz. Das Buch als innovativer Ansatz der Arbeit mit Demenzkranken kann all jenen wärmstens empfohlen werden, die neue Wege in der Demenz-Betreuung gehen wollen und vor allem auch jenen, die mehr über den hohen Wert des gemeinsamen Musizierens mit Demenzkranken erfahren wollen.

* = Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf eine feminine Schreibweise verzichtet. Mit sämtlichen Substantiven in maskuliner Form sind auch Frauen gemeint.

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