Rezension zu Der Soundtrack unserer Träume (PDF-E-Book)
Ray. Filmmagazin 11/14
Rezension von Senad Halilbasic
Trotz der Fülle an Texten zum Verhältnis zwischen Psychoanalyse und
Film gibt es bislang wenige nennenswerte Fachpublikationen, die
sich der Tonebene und insbesondere der Filmmusik aus
psychoanalytischer Perspektive annehmen. Der Psychotherapeut und
Filmpublizist Theo Piegler und der Musiktherapeut Konrad Heiland
versammeln hier 16 Texte zur emotionalen und ästhetischen Wirkung
des Soundtracks. Die interdisziplinären Annäherungen, pendelnd
zwischen Psychoanalyse, Filmtheorie und Musikwissenschaft, widmen
sich sowohl Einzelstudien wie auch thematischen Überblickstexten.
Mathias Hirsch eröffnet den Band mit einem Essay zur Funktion von
Musik im Film und macht bereits durch die Feststellung eines
pränatalen Bedürfnisses nach Musik deutlich, dass eine
psychoanalytische Perspektivierung hier im Mittelpunkt steht:
»Musik repräsentiert also ›die Mutter‹, eine mütterliche Welt, in
der Gefühle von Glück solange sie präsent ist, entstehen – und vom
Schmerz und Angst, wenn sie verloren ging.«
Johannes Hirsch setzt in seiner Argumentation ähnlich an, widmet
sich jedoch der Wirkung von dramaturgisch eingesetzter Stille im
Film. Sie sei mit Verstummen und Stillstand konnotiert. Der Mensch
habe »sich in seiner Entwicklung schrittweise der Geräusche
entwöhnt. Der Mutterleib ist noch eine permanente Geräuschkulisse,
die als Kontinuum erfahren wird. Doch schon hier liefert vor allem
das Verstummen der Stimme der Mutter erste Verlusterfahrungen.«
Dass das Fehlen von Geräuschen im Endprodukt Film jedoch nicht mit
Stille im Kino gleichzusetzen ist, zeigt Helga de la Motte-Habers
historiografischer Text zum Stummfilm auf. Als besonders
aufschlussreich erweist sich Willem Stranks Beitrag »Markierungen
des Irrealen«: Als das Irreale werden hier alternative
Realitätszustände wie der Traum, die Halluzination oder der Wahn
begriffen. Sie sind im Film ohne bestimmte musikalische Muster
nahezu undenkbar. Auch wird die Tonspur einzelner Filme im Detail
analysiert, darunter »The Shining« (Mitherausgeber Konrad Heiland),
»Fantasia« (Irene Kletschke) oder »The Dark Knight« (Matthias
Hornschuh). Insbesondere diese Texte fallen ungewöhnlich persönlich
aus, was jedoch den Gesamteindruck der vorliegenden Publikation
keineswegs schwächt. Und apropos persönlich: Enjott Schneider,
Komponist zahlreicher Film- und Fernsehfilme (u.a. »Stalingrad«,
»Schlafes Bruder« und »23«), gibt einen Blick in seinen
Schaffensprozess. Auch ein Interview mit der Musikerin Christina
Fuchs zu ihrer Arbeit an einem TV-Dokumentarfilm über die
Transsibirische Eisenbahn sorgt für eine gute Balance aus
filmtheoretischer und praktischer Beschäftigung mit der
Wirkungskraft von Filmkompositionen.