Rezension zu Mit vereinten Kräften (PDF-E-Book)
ver.di news am 5. Mai 2015
Rezension von Ulla Lessmann
Es bleibt genug zu tun
Die Geschichte der DGB-Frauen nach der deutsch-deutschen
Vereinigung
Erst vor kurzem stand der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen
wieder einmal zur Debatte – ein uraltes und, wie es scheint,
unlösbares Problem. Gewerkschafterinnen arbeiten sich daran seit
Jahrzehnten ab und werden es weiter tun müssen. Die
Sozialwissenschaftlerin Sibylle Plogstedt, renommierte Autorin auch
frauenpolitischer Standardwerke, hält auch nach Erfolgen beim
Mindestlohn, beim Anspruch auf Kinderbetreuung, nach diversen
Quotenregelungen den Kampf für gleichen Lohn für gleichwertige
Arbeit für die große immerwährende Aufgabe der Gewerkschaften.
Plogstedt legt mit dem zweiten Band ihrer von der
Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie zur Geschichte der
DGB-Frauen – der erste Band aus dem Jahr 2013 untersuchte die Jahre
1945 bis 1990 – ein eindrucksvolles Zeugnis vom zähen Ringen um
gleiche Rechte und Chancen von Frauen nach der deutsch-deutschen
Vereinigung vor. Es ist zugleich eine Gewerkschafts- und
Frauengeschichte nach 1990.
Was eine trockene Angelegenheit aus Quellenmaterial hätte werden
können, wird bei Sibylle Plogstedt dank ausführlich zitierter, mit
frappierender Offenheit geführter Interviews und einfühlsamer
lebensgeschichtlicher Porträts von Frauen wie Ursula Engelen-Kefer,
Margret Mönig-Raane, Monika Wulf-Mathies oder Eva-Maria Stange und
vieler nicht so prominenter, gleichwohl tatkräftiger und mutiger
Streikführerinnen, Betriebs- und Personalrätinnen zu einer
spannenden, sogar unterhaltsamen Sozialgeschichte.
Vor allem der Prozess der Annäherung von Ost- und Westfrauen, das
Suchen nach einer gemeinsamen Sprache und gemeinsamen Forderungen,
auch die zahlreichen Missverständnisse, werden nachvollziehbar
beschrieben.
Eindrücklich lesen sich im Rückblick die Erfolge der Frauen im
Prozess der ver.di-Gründung, aber auch die Enttäuschungen mancher
Fusionsopfer; lehrreich wird das Versagen der rot-grünen
Bundesregierung bei einer Quote für die Privatwirtschaft analysiert
– die übrigens ab 2018 von der EU vorgeschrieben wird. Man lernt
viel über Macht und männliche Strukturen, weshalb eine
Betriebsrätin empfiehlt, sich überall einzumischen, »wo unsere
Jungs sich rumtreiben«.
Es bleibt noch viel zu tun: Es gibt nach wie vor keine
DGB-Vorsitzende und aktuell sind nur zwei Vorsitzende von
Einzelgewerkschaften Frauen. Sich dennoch des Erreichten zu
vergewissern und aus den Kämpfen zu lernen, dafür ist dieses Buch
da.