Rezension zu Trauma und Gruppe

Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik 4/2005

Rezension von Andrea Eckert

»Das Trauma ist so etwas wie der Abprall der Indifferenzbewegung der Ursprungs-Wiederaneignung an der absoluten Differenz des Todes, an dem ein Verhältnis von Körper (Eros/Cogito) und Ding (Objektivität) sich konstituiert. ... Womit der Vorgang der Kulturentwicklung im Überschlag bestimmt ist, als diese medial und das heißt sich imaginär realisierende inzestuöse Indifferenzbewegung des kulturellen Fortschrittes inklusive des akkumulierenden Gewaltpostens der Nichtung der Differenz: jede Differenz ist das wegzuschaffende/anzueignende Trauma der eigenen Todesverkündung« (Karger, S. 25). Wer das versteht und noch mehr davon wissen will, der lese dieses Buch.

Die Frage, ob es kollektive Traumata gibt, beantwortet Karger so: »Das Trauma des eigenen gewussten Todes ... stellt das Initial der Kulturbildung als aneignende fantasmatische Bannung desselben dar.« Wenn ich Karger richtig verstanden habe – was nicht sicher ist! – dann führt er aus, dass das Trauma der Ursprung der kulturellen Normalität ist, diese wiederum die Abwehr weiterer Traumata darstellt. Ist das eine Antwort? Wenn man die in diesem Buch zu Recht öfters anerkennend zitierte Arbeit von Angela Kühner über Kollektive Traumata gelesen hat, muss man sagen: Nein. Karger löst das Trauma auf in Richtung Metaphysik, wo es verdampft im quasi Allgemeinmenschlichen. Mit den Berichten über Srebrenica im Kopf fühlt man sich in diesem Text wie auf einem anderen menschenleeren Planeten.

Es wird aber noch kälter: Heinz beschäftigt sich mit »dem Trauma aller Traumen, dem Skandal des gewussten Todes und dessen verheerenden Gewaltfolgen, inklusive aller produktiven Eros-Aufschübe« (5. 31). An dieser Stelle im Buch hat man bereits mindestens drei Mal vom »Skandal« des Traumas gelesen und nichts davon geglaubt, das Wort wirkt wie ein Anästhetikum.

Man hat auch bereits bei Karger eine »ketzerische« Frage in Anlehnung an eine ketzerische These von Heinz gelesen. Die These von Heinz ist die der »göttlichen Auserwähltheit des Opfers« – zitiert aus einer Arbeit von Heinz mit dem Titel »Denn viele sind gerufen, aber wenige auserwählt« – Missbrauch (auch) in Psychotherapie als Medientheologumenon« (Für die weniger Gebildeten unter uns: das heißt »theologischer Lehrsatz der Medien«). Nein, natürlich unterstellt Karger nicht, dass sich also das Opfer seinen Missbrauch wünscht, aber man wird ja mal darüber nachdenken dürfen. Worüber Heinz nachdenkt, wird mir nicht ganz klar. »Die Themenzentrale der Psychoanalyse, Psychopathologie, bildet sich aus der Masse der Theorie-anstößigen pathogenen Dysfunktionalitäten im Widerspiel von Indifferenz und Differenz, Inzest und Inzesttabu. Allemal sind es Vermittlungs-, in diesem Sinne also Gedächtnisdefekte, die, in sich hineingetrieben, kurz vor der Todeserfüllung derselben abbiegend, Krankheit definieren« (S.41).

Ich kann es nicht verhehlen: Bis hierhin bin ich von dem Buch enttäuscht und frage mich tatsächlich, ob hier einfach Beihilfe geleistet wird für die Entleerung des Traumabegriffs, heißt für die Verleugnung der Tatsache, dass es Dinge gibt, die traumatisierend sind und Menschen, die traumatisiert sind. Außerdem kann ich nicht bestreiten, dass ich Texte, die sich mir durch eine hochprozentige Anreicherung mit Fremdworten eigentlich permanent entziehen und mich für dumm erklären auch nicht gern lesen mag.

Das kann man den übrigen Beiträgen des Bandes allerdings nicht vorwerfen. Es sind anregende Gedanken dabei, allerdings fällt hier auf, wie häufig und ausführlich zum einen die Koautoren, zum andern Volkan und Kühner (Kollektive Traumata. Annahmen, Argumente, Konzepte. Berlin, Berghof Forschungszentrum für konstruktive Konfliktbearbeitung, 2002, der man einen Verlag wünscht, der ihr Buch zugänglich macht) zitiert werden, die zu dem Thema tatsächlich viel zu sagen haben. Wirth schließlich gerät mit seinen Überlegungen zur fraglichen Borderlinestörung von Slobodan Milosevic und den daraus folgenden »Behandlungstechniken«, wie er selbst erwartet, in ein schwieriges Gelände.

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