Rezension zu Die Begegnung der Subjekte

ÖAGG FEEDBACK Zeitschrift für Gruppentherapie und Beratung 3&4/2015

Rezension von Günter Dietrich

Die »intersubjektive Wende« hat zu einer Weiterentwicklung von Theorie und Selbstverständnis der Psychoanalyse geführt. Seit dem Erscheinen des Buches»Faces in a Cloud« von Robert D. Stolorow und George E. Atwood im Jahr 1979 wurde das intersubjektive Verständnis als einflussreiche Sichtweise der psychoanaltischen Behandlung populär und mit der Theorie des Kontextualismus in der psychoanalytischen Praxis auch wissenschaftsheoretisch eingebettet (vgl. Orange, Atwood & Stolorow 2001). Der von Peter Potthoff und Sabine Wollnik herausgegebene Band »Die Begegnung der Subjekte. Die intersubjektiv-relationale Perspektive in Psychoanalyse und Psychotherapie« folgt dem Ziel, diese Theorierichtung, die bisher überwiegend im englischsprachigen Raum beheimatet war, verstärkt auch in den deutschsprachigen Ländern zugänglich zu machen.

Die einzelnen Beiträge, verfasst von Berhard F. Hensel, Regina Klein, Peter Potthoff, Chris Jaenicke, Isolde Böhme, Hans-Jürgen Wirth, Jürgen Maurer, Heribert Blaß, Johannes Döser, Peter Geißler, Helga Felsberger, Johann August Schülein und Sabine Wollnik, fassen zentrale Annahmen der intersubjektiv-relationalen Perspektive zusammen und stellen interessante Querverbindungen her. Exemplarisch seien hier die Kapitel von drei der AutorInnen angeführt: Regina Klein wendet sich in ihrem Beitrag »Szenische Einspielungen. Frühe intersubjektiv-relationale Ansätze im deutschsprachigen Raum« kritisch der Frage der »Neuheit« der Positionen der Gruppe um Stolorow zu. Fundiert weist sie darauf hin, dass die – fast zeitgleich entwickelten – Konzepte der 1970er bis 1980er Jahre von Hermann Argelander und Alfred Lorenzer als »szenisches Verstehen« mit interaktionell-dialogischen Hintergrund zahlreiche Überschneidungen zum Konzept des intersubjektiven Raums aufweisen. Ob angesichts der psychoanalytisch-wissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Bedeutung, die dem genannten Alfred Lorenzer zukommt, die im Buch von den HerausgeberInnen vollzogene »Eingemeindung« Lorenzers als »Vorläufer des Intersubjektivismus« angemessen erscheint, ist aus meiner Sicht aber noch zu klären.

Helga Felsberger geht in ihrem Beitrag »Mentalisierungsbasierte Psychotherapie als intersubjektives Verfahren« auf die theoretischen und behandlungstechnischen Verbindungen zwischen dem mentalisierungsbasierten und dem intersubjektiven Ansatz nach. Dabei weist sie in der mentalisierungsbasierten Sichtweise der therapeutischen Situation als ein dynamisches Feld mit einer aufbauenden älteren Tradition, etwa dem »potential space« von Winnicott, ein intersubjektives Verständnis nach.

Weiteren theoretische Querverbindungen folgt auch der Herausgeber Potthoff selbst nach, wenn er in »Intersubjektivität und Gruppenanalyse« die Analogien zur gruppenanalytischen Theorie von S.H. Foulkes untersucht. Wenig überraschend treten dabei eine Fülle an Gemeinsamkeiten zutage, die sich bereits in den Kernbegriffen des »intersubjektiven Feldes« gegenüber der »Gruppenmatrix« von Foulkes abzeichnen.

Die Schlussfolgerung des Autors, dass Gruppenanalyse und (intersubjektive) Psychoanalyse historisch wesentliche Konzepte und Perspektiven teilen, ist gut nachvollziehbar, ebenso, dass der daraus erzielbare Austausch bisher eher in bescheidenem Rahmen geblieben ist, weil die Arbeiten dieser beiden Schulen gegenseitig zu wenig rezipiert worden sind.

Insgesamt bietet dieser Band eine weitreichende, aber dennoch kompakte und gut gesetzte Auswahl zur Einführung in die intersubjektive Psychoanalyse sowie deren Anwendung. Das Werk kann zur Lektüre besonders allen InteressentInnen und PraktikerInnen der psychoanalytischen Psychotherapie und der Gruppenpsychoanalyse empfohlen werden.

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