Rezension zu Alfred Lorenzer
psychosozial 38. Jg. (2015) Heft I (Nr. 139)
Rezension von Tom David Uhlig
Ellen Reinke befragt in dem von ihr herausgegebenen Buch die
Schriften des Frankfurter Psychoanalytikers Alfred Lorenzer auf
ihre Aktualität, wobei sie eine Teilung zwischen den
metatheoretischen Grundlagen und der Tiefenhermeneutik als Methode
psychoanalytisch inspirierter Sozialforschung vornimmt. Während
sich die Beiträge im ersten Teil auf eine kritische Darstellung
zentraler Konzepte Lorenzers sowie deren interdisziplinäre und
theoriegeschichtliche Bezüge konzentrieren, bemühen sich die
AutorInnen des zweiten Teils um die tiefenhermeneutische Deutung
kultureller Artefakte.
Gottfried Fischer und Monika Becker-Fischer befassen sich im ersten
Beitrag mit der nunmehr weniger beachteten Traumatheorie Lorenzers.
Im Sinne des Freud’schen Diktums, dass es kein Merkzeichen für
Realität im Unbewussten gebe, betont Lorenzer hier die Bedeutung
des Erlebens gegenüber der etwaig traumatisierenden Situation. Im
Zusammenfallen subjektiven, da lebensgeschichtlich begründeten
Erlebens und objektivem Geschehnis in der Situation sehen die
AutorInnen mit Lorenzer einerseits eine Möglichkeit der
Ableitungslogik behavioristischer Reiz-Reaktions-Modelle zu
entkommen und andererseits einen subjektivistischen Relativismus zu
vermeiden. Letzteres ist insbesondere bei der Frage nach
Opferentschädigungen von gesellschaftlicher und rechtlicher
Relevanz. Ungeklärt bleibt jedoch die Frage, wie Lorenzers
Traumatheorie sich zu dem derzeit gängigen
Vulnerabilitäts-Stress-Modell der kognitiven Verhaltenstherapie
verhält. Findet doch aufgrund der Annahme individuumsspezifischer
Anfälligkeiten für Traumatisierungen der lebensgeschichtliche
Erfahrungshintergrund zumindest potenziell Eingang in die
»Theorie«. Dass diese Anfälligkeiten oftmals mit genetischen
Prädispositionen kurzgeschaltet werden, lässt sich wiederum im
Sinne der AutorInnen kritisieren. Ihrem Verständnis der
Traumatheorie Lorenzers zufolge verbleibt das »Trauma als
Handlungsansatz, der äußerlich nicht mehr ausgeführt werden kann,
[...] motorisch auf der Ebene einer intrasomatischen
›Bereitstellungsreaktion‹, sensorisch auf der Ebene unmittelbarer
von der Selbstwahrnehmung abgekoppelter Sinneseindrücke« (Fischer &
Fischer, 2013, S. 34). Körperliche Prädispositionen traumatischer
Erfahrungen sind also nach Lorenzer keineswegs losgelöst von der
Lebensgeschichte, sondern stets in Dialektik mit derselben zu
begreifen.
Mit der Bedeutung körperlicher Erfahrung für das seelische Erleben
beschäftigt sich auch Ellen Reinke in ihrem Aufsatz zu Lorenzers
Interpretation der Psychoanalyse als einer Hermeneutik des Leibes
und deren Verortung im interdisziplinären Feld. Eine der
Schwierigkeiten hierbei liegt sicherlich in der Gefahr, das von
Lorenzer skizzierte Spannungsverhältnis zwischen Leiblichkeit und
psychischem Erleben zu einer Seite hin aufzulösen, also – reaktiv
formuliert – biologistisch oder kulturalistisch zu verkürzen.
Reinke folgt zunächst Lorenzers Rezeption der voranalytischen
Schriften Freuds, namentlich dessen Aphasienlehre. Aus einer Kritik
der Lokationstheorie neurowissenschaftlicher Auseinandersetzungen
entwirft Freud ein konnexionistisches Modell von Sprachstörungen,
in welchem »die neurophysiologischen wie die
lebensgeschichtlich-sozialen Probleme der Sprache in einen
Zusammenhang« (Reinke, 2013a, S. 44) treten. Im Lorenzer’schen
Begriff des Symbols verdichtet sich dieser Zusammenhang abermals.
Susan K. Langer folgend unterscheidet Lorenzer zwischen
präsentativen und diskursiven Symbolen. Die Bildung präsentativer
Symbole erfolgt ontogenetisch früher über sinnlich erfahrene
Interaktionen, die zu Interaktionsformen gerinnen und schließlich
von der Hegemonie der Sprache über das Bewusstsein aus diesem
ausgeschlossen werden. Nach der Sprachaneignung unterliegen
Erfahrungen einer doppelten, sowohl sinnlichen als auch sprachlich
vermittelten Registratur. Reinke sieht nun im Rückgriff auf Alan
Schore in der doppelten Registrierung ein »Brückenkonzept für eine
Diskussion und Praxis zwischen Psychoanalyse und Neurobiologie« –
die Psychoanalyse sei »der geeignete interdisziplinäre Partner für
die Neurobiologie« (ebd., S. 76). Dieses nach Reinke anzustrebende
Bündnis wird aus ihrer Sicht im gängigen Diskurs von Umarmungs-
bzw. Bedrohungsszenarien flankiert. Während die Umarmung als
Legitimationsstrategie psychoanalytischer Konzepte
neurophysiologische »Erkenntnisse« unkritisch affirmiert,
befürchten VertreterInnen des Bedrohungsszenarios eine Nivellierung
psychoanalytischer Erkenntnispositionen gegenüber einer als
Leitwissenschaft auftretenden Neurobiologie. Dem dialogischen
Modell Reinkes ließe sich jedoch entgegenhalten, dass es dazu
tendiert, das notwendige spekulative Moment der Metapsychologie zu
eliminieren. Folgt die Auseinandersetzung Lorenzers mit Freuds
biologistischen Tendenzen eher der hegelianischen Figur der
Aufhebung, so tendieren VertreterInnen einer sogenannten
Neuropsychoanalyse – wie etwa Mark Solms, auf den sich Reinke
durchweg positiv bezieht – zu einer phänomenologischen Umdeutung
der Psychoanalyse. So bestimmt Solms etwa, wie Christine Kirchhoff
darstellt, die Präfrontallappen funktionell als »übergeordnete
Struktur [...], deren Aufgabe es ist, gegenwärtige Informationen,
die das Gehirn erreichen, mit an anderen Orten des Gehirns
gespeicherten Informationen aus der Vergangenheit in Verbindung zu
bringen, auf deren Grundlage dann der optimale Handlungsablauf
berechnet werden könne« (Kirchhoff, 2010, S. 15). Daraus leitet er
nach Kirchhoff einen funktionalistisch verkürzten Begriff des
Unbewussten ab, indem er Verdrängung als eben jenen »Prozess, [...]
der Handlungsoptimierung kurzschließt« (ebd.), charakterisiert. Wie
Kirchhoff (ebd.) jedoch zu bedenken gibt, »gehört zur Verdrängung
bei Freud aber die Sexualität und die Vielfalt der Symptome zeigt,
dass Verdrängung nicht funktional ist im Sinne der Optimierung von
Handlungsabläufen, im Gegenteil«. Fernab möglicher
Bedrohungsszenarien wird an diesem Beispiel deutlich, dass eine
Metapsychologie mit dieser Art des »Dialogs« nicht zu machen ist,
und erst recht keine kritische Theorie des Subjekts, wie sie von
Lorenzer gefordert wird. Der positivistisch inspirierte Drang,
aufzufinden und abzubilden, was Theorie prädiziert, eskamotiert
deren notwendig spekulatives Moment. Auch wenn, wie aus Freuds
erkenntnistheoretischen Überlegungen einsichtig wird, »abstrakte
Ideen« nicht willkürlich dem empirischen Gegenstand angetragen
werden sollten, muss ihnen »zunächst ein gewisses Maß an
Unbestimmtheit« (GW X, S. 142) anhaften. Der fortschreitende
Erkenntnisgewinn könne zwar zu vorläufigen Definitionen
wissenschaftlicher Grundbegriffe führen, jedoch müsse deren
dynamischer, veränderlicher Charakter beibehalten werden (vgl.
ebd.). Diese Beweglichkeit der Theorie, der sie konstituierende
»Sprung« vom unmittelbar empirisch Beobachtbaren, wird vom Diskurs
der Neuropsychologie tendenziell eliminiert, kann dieser doch nur
zur Sprache bringen, was in neurophysiologischen Korrelaten zur
Sichtbarkeit gelangt. Vor der Schablone des, im Übrigen technisch
völlig unzulänglichen, methodischen Repertoires zeitgenössischer
Hirnforschung wird Trieb zum Instinkt, Sexualität zur
Selbsterhaltung und das Unbewusste zur Handlungsheuristik verkürzt.
Dabei muss fraglich bleiben, inwiefern beispielsweise die
Feststellung, dass »spezifische Muster des Blickkontakts [der
Mutter; Anm. T. D. U.] als neurophysiologische Regulatoren wirksam
werden« (Reinke, 2013a, S. 75), oder andere neurobiologische
Korrelate, die Reinke oft in Fußnoten anfügt, sich dazu eignen,
psychoanalytische Theoriebildung zu bereichern.
Demgegenüber verteidigt Bernard Görlich in seinem Aufsatz »Über die
Widerständigkeit des Subjekts« die Triebtheorie Lorenzers, welche
»unbeschadet ihrer biologischen Verankerung, die für den
Materialisten Freud selbstverständlich war, von Anfang an auf
Erlebnisprobleme bezogen [ist]« (Lorenzer nach Görlich, 2013, S.
116). Entgegen »Alternativkonstruktionen« (ebd., S. 126) wie dem
ichpsychologischen Trend der 50er, der Zentrierung auf »Narzissmus«
in den 60er oder auf »Traumata« in den 70er Jahren sowie den in den
80ern aufkommenden Objektbeziehungstheorien oder der Akzentuierung
von Affekten in den 90er Jahren, hält Lorenzer an der Freud’schen
Triebkonzeption fest, in der er die hier skizzierten Begriffe
bereits verankert sieht. In seiner Theorie der Interaktionsformen
versucht er dem Trieb seinen materialistischen Gehalt
wiederzugeben. Lorenzer gewinnt seinen Blick auf die
»soziophysische Doppelnatur des Unbewussten«, indem er »Freuds
genuines Verständnis vom Biologischen [...] in den breiteren
Horizont einer auf Prämissen eines kritischen Materialismus
fußenden ›Metatheorie‹ rückt« (ebd., S. 113). Leiblichkeit meint in
diesem Zusammenhang also mehr als neurophysiologisch messbare
Erregungsniveaus. Vielmehr geht es um den körperlich erfahrbaren
Niederschlag von sozialer Praxis sowie dessen symbolische
Besetzung. In dem Anspruch, eben jenen vorsprachlich organisierten
Symbolen, den unbewussten Lebens-, weil Praxisentwürfen zur Geltung
zur verhelfen, liegt nach Lorenzer der kritische Stachel
Freuds.
Die herausragende Bedeutung der sinnlich-symbolischen
Interaktionsform wird in dem vorausgehenden Beitrag von Heribert
Wahl, »Das Symbol bei Alfred Lorenzer«, nicht aufgegriffen. Der
Autor kritisiert an Lorenzer, dass er der Sprache – ähnlich wie
Lacan – eine zu große Bedeutung beimisst. Problematisch sei seine
»Fixierung auf Sprache«, die aus Sicht Wahls »wohl ein, wenngleich
ausgezeichnetes, besonderes Medium zur Bildung von Symbol-Zeichen
sein kann, keineswegs aber das exklusiv einzige, zudem explizit ans
Bewusstsein gebundene« (Wahl, 2013, S. 94). Der Autor fragt weiter:
»Wo bliebe alle nicht sprachlich verfasste Kunst, zum Beispiel eine
Bruckner-Symphonie, ein Bild van Goghs, aber wo blieben auch
Alltagserfahrungen wie ein Sommertag?« (ebd.). Der Irrtum, dem Wahl
hier aufsitzt, liegt offenbar darin begründet, die Formulierung
Lorenzers aus Sprachzerstörung und Rekonstruktion, ein unbewusstes
Symbol sei eine contradictio in abjecto, missverstanden zu haben.
Wie Lorenzer und Bernard Görlich in dem Beitrag »Lebensgeschichte
und Persönlichkeitsentwicklung im Spannungsfeld von Sinnlichkeit
und Bewusstsein« herausstellen, kann die »erste symbolische
Organisation einsozialisierter Bedürfnisse, die
sinnlich-symbolischen Interaktionsformen, [...] als erste Schicht
der Subjektivität« (Lorenzer & Görlich, 2013, S. 149) ausgewiesen
werden. Dieses nichtsprachliche Praxisgefüge unterliegt, wie Wahl
korrekt referiert, den gleichen Besetzungsvorgängen wie
Sprachsymbole, ist darüber hinaus aber auch symbolisch – nur eben
sinnlich-symbolisch – vermittelt. Lorenzer liest Lacan gegen den
Strich, wenn er akzentuiert, dass das »Unbewusste wie eine Sprache
strukturiert« (Hervorh. T. D. U.), jedoch nicht identisch mit
Sprache sei. Als Beispiel hierzu zieht Lorenzer oftmals das in
Jenseits des Lustprinzips beschriebene Garnrollenspiel heran,
welches Freud als ersten sinnlichen Symbolbildungsprozess ausweist.
Mit dem Begriff Klischee bezeichnet er das Auseinanderfallen von
sprachsymbolischer und sinnlich-symbolischer Interaktionsform,
welches in der psychoanalytischen Behandlung vermöge szenischen
Verstehens näherungsweise (wieder)hergestellt werden soll. Wahl
wendet sich gegen eine derart verstandene Psychoanalyse, wenn er
feststellt, dass »Sprache [...] jedoch kein Monopol auf das
Symbolische« hat (Wahl, 2013, S. 97, Hervorh. i. Orig.) und ein
therapeutisches Programm impliziert, welches neue symbolische
Erfahrungen ermöglichen soll. Augenscheinlich orientiert sich
dieser Ansatz Wahls, die Rede in der Redekur zu nivellieren, an
Winnicott, dem sich ihm zufolge Lorenzer in seinen Spätschriften
angenähert hat. Der Vorwurf, unbewusste Symbole hätten keinen Platz
in Lorenzers Theorie, mutet besonders vor dem Hintergrund des
zweiten Teils des Buches, in dem sich die AutorInnen dezidiert mit
der Methode tiefenhermeneutischer Kulturforschung
auseinandersetzen, höchst sonderbar an.
Da Lorenzers Texte zum szenischen Verstehen in der
Kulturwissenschaft, ausgenommen seine Untersuchung zum Zweiten
Vatikanischen Konzil, eher programmatisch beschaffen sind, kann die
Erprobung an konkreten Gegenständen nicht nur Aufschluss über deren
latente Sinngehalte geben, sondern gleichzeitig Erkenntnisse über
Methodik und Methodologie der Tiefenhermeneutik fördern. So gibt
Achim Würker (2013) in seinem Aufsatz zur »Literaturinterpretation
als psychoanalytische Hermeneutik« Einblick in die Methodik
tiefenhermeneutischer Forschung. Vor dem Erfahrungshintergrund
seiner Arbeit in Interpretationsgruppen benennt er eine Reihe von
Verfahrensweisen, mithilfe derer sich die Gruppe dem latenten
Sinngehalt kultureller Objektivationen annähern kann. Dabei
verdeutlicht er das Vorgehen entlang einer fragmentarischen
Untersuchung zu Bernhard Schlinks »Der Vorleser«.
Liegt der Schwerpunkt in Würkers Text eher auf der Praxis
tiefenhermeneutischer Kulturforschung, so konzentrieren sich
Lorenzer und Würker in dem Wiederabdruck von »Tiefenhermeneutische
Literaturinterpretation« auf deren methodologische Grundlagen. Die
Tiefenhermeneutik fokussiere »im Unterschied zur Rezeptionsästhetik
[...] auf die unbewussten Dimensionen des Wirkungszusammenhangs«
(Lorenzer & Würker, 2013, S. 187). Es gelte jedoch, die
psychoanalytische Verfahrensweise nicht unreflektiert aus dem
therapeutischen Setting auf Literatur zu übertragen, etwa indem
literarische Figuren psychologisiert werden, sondern im
Theorietransfer den Spezifika des Gegenstandes gerecht zu werden.
Um Brüchen zwischen dem latenten und dem manifesten Sinngehalt bzw.
deren Spannungsverhältnis zueinander auf die Spur zu kommen, gilt
es, mittels der therapeutischen Technik freischwebender
Aufmerksamkeit sich von Irritationen und Assoziationen leiten zu
lassen.
Die weiteren Beiträge bemühen sich in diesem Sinne um szenisches
Verstehen kultureller Artefakte. In »›Nach der Stille‹ oder
Intimität und soziales Leid in Israel und Palästina« untersucht
Sigrid Scheifele (2013) den titelgebenden Dokumentarfilm von 2011.
Bei ihrer Analyse gelangt die Autorin allerdings oftmals vorschnell
auf eine Ebene politischer Deutung des sogenannten Nahostkonflikts
und vernachlässigt tendenziell die Forderung Lorenzers und Würkers,
dass »Leserassoziationen [...] nur in strenger Abhängigkeit vom
Text [bzw. des Gegenstandes; Anm. T.D.U.] eine Rolle [spielen]«
(Lorenzer & Würker, 2013, S. 199). Anders Timo Storck und Ellen
Reinke, die in »Diva-Vorstellungen« sehr nahe an ihrem Material,
dem Spielfilm Diva (1981), arbeiten. Diva markiert ihnen zufolge
»den Einbruch des ›postmodernen‹ Stils im Film« (Storck & Reinke,
2013, S. 233), was die Interpretierenden vor besondere
Schwierigkeiten stellt, da hier nicht »Diskursivität [...] im
Vordergrund [steht], sondern Präsentativität« (ebd., , S. 235). Mit
genauem Blick auf die Interaktionsformen der ProtagonistInnen
folgen die AutorInnen in spannender Weise der »grundsätzlichen
Irritation [...], man könne über den Film ›alles‹ sagen, das dann
aber doch irgendwie ›nichts‹ bedeutet« (ebd.). Die weiteren
Beiträge Reinkes (2013b) und Anas Nashefs (2013) konzentrieren sich
beide, wenn auch anhand sehr unterschiedlicher Gegenstände, auf die
Deutung transgenerationaler Gefühlserbschaften. Besonders
hervorzuheben ist der Beitrag Klaus Köberers, »Learning from
Lorenzer«, in dem der Autor sich an einer längst überfälligen
Verhältnisbestimmung Lorenzers und Robert Venturis versucht. Von
Lorenzer, so Köberer, können Architekten ein »Selbstverständnis von
Architektur als symbolische Transformation [lernen], in der die
Widersprüche von materiellen und gesellschaftlichen Anforderungen,
Zweckerfüllung und künstlerischem Ausdruck, Gestalt und Bedeutung,
›sacred and profane‹ aufgehoben sind« (Köberer, 2013, S. 269).
Die von Reinke versammelten Artikel bieten ein spannendes Panorama
neuerer Auseinandersetzungen mit Lorenzers Metapsychologie und
Tiefenhermeneutik. Um die »Aktualität seines interdisziplinären
Ansatzes« zu diskutieren, wäre es jedoch zudem wichtig, den Blick
auf die Leerstellen seiner Theoriebildung zu richten – etwa im
Hinblick auf Geschlecht und Sexualität, die neuen
Sozialisationsverhältnisse im Neoliberalismus oder den Todestrieb.
Auch oder gerade weil es der grassierenden Theoriefeindlichkeit
akademischer Institutionen widerspricht, derlei Fragen zu
untersuchen, sind sie brennender denn je.
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