Rezension zu Familiendynamik bei spätadoptierten Kindern

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Rezension von Silke Remiorz

Celina Rodriguez Drescher: Familiendynamik bei spätadoptierten Kindern

Autorin
Dr. Celina Rodriguez Drescher, ist promovierte Psychologin. Sie ist für zahlreiche Unternehmen als Organisationsentwicklerin mit den Schwerpunkten Beratung und Coaching für Führungskräfte tätig. Außerdem lehrt sie an Fachhochschulen und berät Adoptionsbewerber und Adoptiveltern (Psychosozial-Verlag, 2014).

Thema
Celina Rodriguez Drescher geht in ihrem Buch »Familiendynamik bei spätadoptierten Kindern« im Wesentlichen der Frage nach, welchen Einfluss eine Spätadoption von Kindern und/oder Jugendlichen auf alle daran beteiligten Familienmitglieder hat. Hierbei stehen besonders die Erfahrungsberichte von insgesamt fünf Familien im Vordergrund, in denen eine Spätadoption stattgefunden hat. Die Erfahrungsberichte umfassen sowohl die Sicht der spätadoptierten Kinder selbst, als auch die Eindrücke und Erfahrungen der Adoptiveltern. Celina Rodriguez Dreschers Auseinandersetzung mit diesem sehr sensiblen Thema, wird von neusten wissenschaftlichen Forschungserkenntnissen fachlich untermalt, sodass ein ausgewogenes Bild erschaffen wird.

Aufbau und Inhalt
Der formale Aufbau des Buches gliedert sich in fünf Hauptkapitel, welche diverse Unterpunkte enthalten. Zu Beginn steht ein Geleitwort von Margarete Mitscherlich-Nielsen, woraufhin eine kurze Einleitung der Autorin selbst in das Thema erfolgt. Der Inhalt ist klar strukturiert und lässt die Leserin bzw. den Leser die einzelnen Schwerpunkte gut erkennen. Die fünf Hauptkapitel gliedern sich wie folgt:

Das erste Hauptkapitel zeichnet eine »Literaturübersicht und allgemeine Grundlagen« der Adoption auf. Die Autorin geht im Speziellen auf aktuelle Studien und Literatur zum Thema Adoptionsforschung ein. Hierbei werden vor allem die zentralen Aspekte der Adoption und den damit verbundenen Fragen der Identitätsbildung der adoptierten Kinder und/oder Jugendlichen herausgestellt. Des Weiteren steht die Definition der Spätadoption, sowie die Gegenüberstellung von Spätadoptionen versus Frühadoptionen im Fokus des ersten Hauptkapitels.

Im zweiten Hauptkapitel »Vorstellung der Studie« wird diese chronologisch beschrieben. In den einzelnen Subkapiteln beschreibt Celina Rodriguez Drescher die methodischen Überlegungen, die Konzeption des Fragebogens und die Erstellung des Interviewleitfadens. Des Weiteren wird die untersuchte Stichprobe genau beschrieben. Die genaue Darstellung des Fragebogens, sowie des Interviewleitfaden bilden mit der Beschreibung der Durchführung der Datenerhebung und der Auswertung der erhobenen Daten den Abschluss des zweiten Hauptkapitels.

Das dritte Kapitel befasst sich mit »Einzelfallstudien«. In diesem Kapitel wird vor allem die Auseinandersetzung mit den individuellen Geschichten der spätadoptierten Kinder in den Vordergrund gestellt. Dabei beschreibt die Autorin zunächst die Kontaktaufnahme mit den Befragten um daran anschließend die individuelle Geschichte jeder befragten Adoptivfamilie ausführlich zu beschreiben. Im nächsten Schritt zeigt Rodriguez Drescher einzelne Interviewpassagen sowohl von den Adoptiveltern, als auch von den spätadoptierten Kindern selbst auf. Jede Einzellfallstudie schließt mit einer individuellen Analyse der befragten Adoptivfamilie.

Das vierte Kapitel »Auswertung und Diskussion der Ergebnisse« beschreibt im Detail die einzelnen Herausforderungen und auch Auswirkungen einer Adoption auf das alltägliche Familienleben. Dabei stehen folgende Aspekte und Fragestellungen im Vordergrund der Betrachtung; Welche Rolle spielt die leibliche Mutter des adoptierten Kind für dessen Identitätsfindung in der Adoptivfamilie? Wie werden Konflikte innerhalb der Adoptivfamilie gelöst? Welche Rolle nehmen Geschwisterkinder innerhalb einer Adoptivfamilie ein? Welche Phasen durchlebt eine Adoptivfamilie mit spätadoptierten Kindern und wie erlebt dies das Kind selbst? Wie ist der Umgang mit Nähe und Distanz? uvm. Auf der fachlichen Ebene wird von Celina Rodriguez Drescher die Rolle des Jugendamtes herausgestellt, welches sowohl Vermittler, als auch Begleiter im Prozess der Adoption sein soll. Das vierte Kapitel schließt mit einem Ausblick.

Im fünften Kapitel »Praxisbezug – Schlussfolgerungen für die Vermittlungstätigkeit« stellt die Autorin unter anderem Handlungsempfehlungen für die Arbeit von Fachdiensten mit Adoptivfamilien heraus. Hierbei nennt Sie vor allem den Aspekt von regelmäßigen Fortbildungen und Supervisionen für die mit Adoptivfamilien arbeitenden Fachkräften heraus. Ferner geht die Autorin auch auf den aktiven Umgang der Fachkräfte, sowie der Adoptivfamilien selbst, mit den Herausforderungen einer (Spät)adoption ein. Hier steht vor allem der Einbezug der Vergangenheit des adoptierten Kindes im Vordergrund. Hierbei werden verschiedene systemische Ansätze genannt.

An die fünf Hauptkapitel anschließend folgen eine Schlussbemerkung, sowie eine Bibliografie. Im Anhang des Buches findet man die für die Datenerhebung benutzten Fragebögen.

Diskussion
In diesem Buch werden zahlreiche unterschiedliche Aspekte der Adoption unter dem besonderen Aspekt der Spätadoption erläutert und ein guter Überblick im Hinblick auf die individuellen Entwicklungen einzelner Adoptivfamilien gegeben.

Positiv hervorzuheben ist die ausdrückliche Berücksichtigung verschiedener Literatur und Studien zum Thema Adoption, die aus ihrem jeweiligen Blickwinkel wertvolle Erkenntnisse zum Thema Adoption und Spätadoption beitragen können. Dies bedeutet, dass mit diesem Werk zwar keine neue Grundlage der Diskussion um das Thema Adoption vorliegt, jedoch wird ein neuer und häufig vernachlässigter Aspekt, nämlich der Aspekt der Spätadoption besonders hervorgehoben. Dies ist in der Fachliteratur ein neuer und sehr wichtiger Aspekt. Wer jedoch eine allumfassende Diskussion im Bereich Adoption bzw. Spätadoption erwartet, wird enttäuscht. Eine qualitative Einzelfallanalyse von insgesamt nur fünf Adoptivfamilien und spätadoptierten Kindern aus dem Großraum Frankfurt, liefert nur einen kleinen Einblick in die Thematik, jedoch kein repräsentatives Bild. Hier hätte eine größere Fallzahl ein vielleicht differenzierteres Bild aufzeigen können. Positiv hervorzuheben ist dann jedoch die ausführliche Darstellung und Auswertung der Einzelfälle und die damit verbundene Diskussion von Adoptivfamilien und ihren spätadoptierten Kindern. Ferner sind die im Kapitel »Praxisbezug« genannten Handlungsempfehlungen sehr differenziell herausgearbeitet und wichtig für die Arbeit der Fachkräfte.

Fazit
Zusammenfassend handelt es sich bei diesem Buch um eine sehr gelungene Darstellung eines hoch sensiblen und oft in der Fachwelt vernachlässigten Themas. Das Buch ist unter anderem besonders geeignet für Praktikerinnen und Praktiker in Helfenden Berufen. Dies umfasst Psychologinnen und Psychologen, Psychiaterinnen und Psychiater, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, sowie Erzieherinnen und Erzieher und weitere Berufsgruppen die mit Klientinnen und Klienten verschiedener Altersgruppen im Zusammenhang mit der Thematik »Adoption« arbeiten. Der vorhandene Praxisbezug des Buches durch die Einzelfallanalysen, die Bezugnahme auf relevante Fachliteratur und neuste wissenschaftliche Erkenntnis, sowie die Betrachtung unterschiedlicher Aspekte in der Auseinandersetzung mit der Thematik »(Spät)adoption« geben einen hervorragenden Gesamtüberblick auf das Thema. Ferner sollte dieses Buch auch als Grundlage für die Fachdienste, welche sich mit der Thematik »(Spät)adoption« auseinandersetzen dienen.

Rezensentin
Silke Remiorz
Sozialarbeiterin & Sozialpädagogin (B.A.) & Sozialwissenschaftlerin (M.A.). Zurzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Dortmund im Forschungsprojekt »Vaterschaft zwischen Jugendhilfeerfahrung und väterlicher Kompetenz« des Central European Network of Fatherhood, mit dem Hauptsitz in Wien. Die Rezensentin ist zudem Promotionsstudentin an der Universität Wien.

Zitiervorschlag
Silke Remiorz. Rezension vom 03.10.2014 zu: Celina Rodriguez Drescher: Familiendynamik bei spätadoptierten Kindern. Psychosozial-Verlag (Gießen) 2014. 2., Auflage. 302 Seiten. ISBN 978-3-8379-2364-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, http://www.socialnet.de/rezensionen/16994.php

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