Rezension zu Cinépassion Reloaded

Journal für Psychoanalyse, 34. Jahrgang, Nr. 55, 2014

Rezension von Dragica Stojkovic

Frenzel, G. & Fäh, M. (Hrsg.) (2013). Cinépassion Reloaded: Eine psychoanalytische Filmrevue

Im dunklen Kinosaal ist das cinéphile Publikum der Welt bewegter Bilder ausgesetzt. Im einzelnen Zuschauer findet eine topische Regression statt – sein Denken ist wieder mehr an Bilder als an Wortvorstellungen gebunden. Nach dem Film taucht er aus diesem quasi-entrückten Zustand auf und ist für den verborgenen, unbewussten Sinn der Handlung empfänglicher. So versteht er intuitiv die psychoanalytische Deutung des Films. Es eröffnet sich ein Blick in die Welt des eigentlich Psychischen, des Unbewussten. (Pressetext des Buches)

In 21 Beiträgen führt sich dieses Unbewusste jenseits der Leinwand noch einmal, diesmal jedoch anders – schriftlich vermittelt – auf. Es ist bereits die zweite Publikation des Zürcher Filmprojekts Cinépassion, das sich nebst Filmklassikern auch unbekannteren Kostbarkeiten der Leinwandwelt widmet. Die psychoanalytischen Filmkommentare versuchen, das Auge des ehemaligen Zuschauers und Zuhörers, jetzigen Lesers, auf Mechanismen und Phänomene des Unbewussten zu lenken. Sie tun dies, indem biografische Fakten des Regisseurs, Symptom , Kultur und Filmtheorien mit dem Filmgeschehen in Verbindung gebracht werden.

»Cinépassion Reloaded« kann kapitelweise und ohne Rücksicht auf die gewählte Reihenfolge gelesen werden, wodurch das Buch auch für Lesefaule und viel Beschäftigte attraktiv ist und dem Schicksal eines Schinkens auf der nie kleiner werdenden »Noch zu Lesen Liste« entkommen kann. Die Lektüre ist spannend und kurzweilig, regt auch zum Nachdenken an, hinterlässt aber ab und an den Eindruck, dass theoretisch wenig bewanderte Leserinnen und Leser nicht die ganze Fülle der Kommentare ausschöpfen können. Allem voran gehört sowohl die Buchpublikation als auch das Projekt Cinépassion für folgende zwei Leistungen gewürdigt:

1. Ein von vielen Analytikern gehegter Wunsch wird erfüllt: Den kulturellen Raum mit psychoanalytischem Gedankengut zu bewohnen (anstatt Letzteres gänzlich nicht praktizierenden Analytikern zu überlassen).

2. Es wird gezeigt, dass Vertreterinnen und Vertreter verschiedener psychoanalytischer Schulen und Institute trotz unterschiedlicher berufspolitischer Haltungen und divergierendem technischen Verständnis im Dienste der Psychoanalyse als Kulturgut nebeneinander und gemeinsam auftreten können!

Die Publikation enthält Beiträge von Hans Peter Bernet, Johannes Binotto, Dominique Bondy Borbély, Karin Dreiding, Markus Fäh, Yvonne Frenzel Ganz, Rolf Hächler, Andrea Kager, Alexander Moser, Wolfgang Roell, Wiebke Rüegg-Kulenkampff, Vera Saller und Mirna Würgler zu u. a. »Clockwork Orange«, »Intimacy«, »La pianiste«, »Nachbeben«, »Fellini Satyricon«, »Babel« und »Mystic River«.

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