Rezension zu Eine Couch auf Reisen
Psychosoziale Umschau 4/06
Rezension von Kerstin Zander
Nachhaltige Hilfe?
Mit »Eine Couch auf Reisen« stellt sich ein in Amerika
bekannter Psychoanalytiker am Ende seines Berufslebens die Frage,
ob er als Therapeut seinen Patienten wirklich helfen konnte Dabei
spielt nicht nur die Sorge um das Wohl seiner ehemaligen Klienten
eine Rolle, sondern auch eine persönliche Krise, die ihn über den
Erfolg seines beruflichen Lebens and damit über seine Bedeutung für
andere nachdenken lasst. Er kommt also auf die Idee, seine
ehemaligen Klienten 30 his 35 Jahre nach Beendigung der Therapie zu
besuchen, um festzustellen, ob sie in ihrem Leben glücklich
geworden sind. Der Bericht seiner Reise zu seinen schwersten und
ungewöhnlichsten Fällen, zeichnet für den Leser ein breites
Spektrum an psychischen Störungen mit zum Teil geradezu
unglaublichen persönlichen Geschichten auf. Zu den aufgesuchten
Personen gehört z.B. eine Collegeschülerin, die damals behauptete
schon einmal als spanische Contessa gelebt zu haben und in die
falsche Familie geboren worden zu sein. Aus ihr wurde
bezeichnenderweise eine in Spanien berühmte Flamencotänzerin, die
nach ihrer Rückkehr in die USA als Hundesalonbesitzerin glücklich
geworden ist.
Der skurrilste Fall ist wohl der eines Zirkusarbeiters, der sich
aufgrund eines Kindheitstraumas in eine Eisbärin verliebt hatte. Er
verwandelte sich deshalb äußerlich mehr und mehr in einen Eisbären
und versuchte gefährlicherweise, dem Tier zum Beweis seiner Liebe
auch körperlich nahe zu kommen. Ihm hatte Akeret zwar das Leben
retten können, doch es bleiben nach dem Besuch Zweifel an der
langfristigen Wirksamkeit der Therapie, da der Zirkusartist ein im
Grunde unglückliches und vor allem in sexueller Hinsicht
unerfülltes Leben führt.
Einen anderen jungen Mann mit extremen Gewaltfantasien kann er aus
der Abhängigkeit von seiner überaus narzisstischen Mutter erlösen,
dieser wird später gar selbst Psychologe. Schließlich fuhrt Akeret
seine Reise sogar bis nach Paris wo er, wie er feststellen muss,
auf den weniger erfolgreich verlaufenen Fall eines bis in die
Gegenwart sich und andere zerstörenden zynischen russischen
Schriftstellers trifft. Diesen konnte er damals zwar vor seiner
Schreibblockade befreien, doch sein weiterhin sexuell
ausschweifender Lebensstil machte ihn bis zum Wiedersehen von
Therapeut und Patient zu einem körperlichen und seelischen
Wrack.
Auffällig ist bei den Geschichten, dass in den meisten Fällen die
Mutter Schuld an den Störungen der Patienten trägt, aber das liegt
wohl in der Natur der Psychoanalyse.
Sehr authentisch erzählt Akeret von seiner humorvollen und
lehrreichen Zusammenarbeit mit einem der wohl berühmtesten
Psychoanalytiker, Erich Fromm, der ihn Anfang der 60er Jahre
ausbildete und bei einem dieser Fälle beriet.
Fazit: Wen Robert Akerets mitunter koketter selbstzweiflerischer
und letztlich doch auch etwas eitler Blick auf die eigene
Bedeutsamkeit nicht stört, der wird viel Vergnügen an der Lektüre
dieses gut erzählten Buches haben, das vor allem von der
Skurrilität der Fälle lebt.