Rezension zu Kein Ende mit der Wende?
PW-Portal – Portal für Politikwissenschaft
Rezension von Anke Rösener
Elmar Brähler / Wolf Wagner (Hrsg.)
Kein Ende mit der Wende? Perspektiven aus Ost und West
Der Sammelband ist anlässlich des 25. Jahrestags der Maueröffnung
entstanden und versammelt ganz unterschiedliche Erfahrungen und
Perspektiven auf die friedliche Revolution von 1989 und den in
vielen Bereichen bis heute andauernden Strukturwandel. Was macht
die Wende aus? Welche Erfahrungen sind damit verbunden? Wie sehen
die Langzeitfolgen des Umbruchs aus? Welche Prozesse sind
abgeschlossen und in welchen Bereichen bleibt »die Wende ohne Ende«
(10)? Diesen fünf logisch aufeinander aufbauenden Fragen ist
jeweils ein Kapitel zugeordnet. Die Beiträge umfassen persönliche
Erinnerungen, historische und soziokulturelle Untersuchungen,
Auswertungen von Langzeitdatenreihen sowie verschiedene
Einzelfallanalysen. Einleitend hadert Annette Simon in einem kurzen
Statement mit dem Begriff der Wende, da er den »stürmischen Umsturz
mit dem Fall einer Mauer, die Jahrzehnte teilweise nur unter
Todesgefahr überwunden werden konnte« (20), verniedliche und die
Leistungen der Menschen entwerte. Wer sich als Gewinner
beziehungsweise Verlierer der Wiedervereinigung zählt, wird in
mehreren Beiträgen für jeweils unterschiedliche Regionen und
Altersgruppen untersucht. So hat die Einstufung als Verlierer im
Zeitraum von 2005 bis 2012 von in und um 1973 Geborenen deutlich
abgenommen, wenngleich sich »auch 22 Jahre nach der deutschen
Wiedervereinigung mehr als ein Drittel der StudienteilnehmerInnen
als Verlierer der Einheit [sieht]« (83). In die Bewertung der
Zielgruppe der heute 50‑ bis 64‑Jährigen fließen nicht nur die
eigenen materiellen Lebensumstände, sondern auch politische
Enttäuschungen ein. »Die Frage, ob man sich zum Gemeinwesen der
Bundesrepublik zugehörig fühlt oder nicht, wird seit Jahren […] zu
zwei Dritteln negativ beantwortet.« (146) Die psychosozialen Folgen
von politischen und ökonomischen Wandlungsprozessen, die
»Bruchlinien der Moderne« (170), sehen Johannes Kiess et. al. als
eine wichtige Ursache für die Entstehung rechtsextremer
Einstellungen, die sie für verschiedene Alterskohorten untersucht
haben. Mit der Frage, ob es – im Kontext der doppelten
Diktaturerfahrung – einen spezifisch ostdeutschen Rechtsextremismus
gibt, befassen sich Heinrich Best et. al. Sie stellen fest, dass
rechtsextreme Einstellungen mit dem »Staats‑ und
Gesellschaftsmodell der DDR kausal verknüpft, zumindest aber
kompatibel« sind, was »zu weiteren Überlegungen zur Validität des
Konstrukts des Rechtsextremismus und zum mentalen Nachwirken der
DDR‑Vergangenheit an[regt]« (164).
Anke Rösener, Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de
Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Elmar Brähler /
Wolf Wagner (Hrsg.): Kein Ende mit der Wende? Gießen: 2014, in:
Portal für Politikwissenschaft,
http://pw-portal.de/rezension/38094-kein-ende-mit-der-wende_46323,
veröffentlicht am 19.02.2015.
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