Rezension zu Verbrecher, Bürger und das Unbewusste
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Rezension von Gernot Hahn
Peter Möhring: Verbrecher, Bürger und das Unbewusste
Thema
Kriminalität ist Teil unserer Gesellschaft, die auf Straftaten mit
Voyeurismus und Ausgrenzung der Täter reagiert. Der vorliegende
Band bemüht sich um eine differenziertere Wahrnehmung des Phänomens
Kriminalität, indem kriminologische, psychoanalytische und
ethnopsychoanalytische Perspektiven zusammengeführt werden und so
die unbewussten Zusammenhänge zwischen Individuum und Gesellschaft
verbunden und deren Bedeutung für die Entstehung von Kriminalität
erschlossen werden, wodurch ein neuartiger Ansatz für eine
Kriminalitätstheorie entwickelt wird.
Autor
Peter Möhring, PD Dr. med. habil. M. A. ist Psychoanalytiker,
Kriminologe, Lehranalytiker, Facharzt für Psychotherapeutische
Medizin und Privatdozent am Klinikum der Universität Gießen.
Ehemals Vorsitzender des Instituts für Psychoanalyse und
Psychotherapie Gießen und des Deutschen Berufsverbandes für
Psychoanalytische Paar- und Familientherapie. Seit 1993 praktiziert
er als Facharzt und Psychotherapeut in eigener Praxis in Wettenberg
bei Gießen und befasst sich u. a. mit psychoanalytischer
Kulturtheorie, forensisch-psychiatrischen Fragestellungen und
Kriminologie.
Aufbau und Inhalte
Der Band erschließt in 14 Kapiteln die Beiträge der Psychoanalyse
und sozialwissenschaftlichen Kriminologie zur
Kriminalitätsentstehung und formuliert eine interdisziplinär
ausgerichtete Kriminalitätstheorie, welche anhand konkreter
Fallgeschichten illustriert wird. Abschließend werden Überlegungen
zu therapeutischen Konsequenzen formuliert, die als Anwendung der
hier vorgelegten Kriminalitätstheorie zu verstehen sind.
1. Einleitung. Der Umgang unserer Gesellschaft mit Kriminalität ist
zwiespältig. Straftäter werden als Abweichende ausgegrenzt,
gleichzeitig erfahren Mord und Totschlag eine faszinierte
Aufmerksamkeit, als Blick auf das Böse im Anderen, der die
Auseinandersetzung mit den eigenen destruktiven Anteilen abwehrt
und verhindert. Möhring beschreibt diese gesellschaftliche Praxis
als »kriminalitätspornografisches Befriedigungserlebnis« (11), was
letztlich Ausdruck der Tatsache ist, dass abweichendes Verhalten in
jedem Menschen angelegt ist, möglich ist. Verbrecher benötigt
unsere Gesellschaft um stellvertretend den Kampf um Regeln und
Regelübertretung führen zu lassen und um die Frage zu klären, ob
ein erfolgreiches Leben jenseits von Regeln möglich ist.
Verantwortung und Schuld als gesellschaftliche Konstruktionen
verhindern extreme Abweichung, gleichzeitig sind in den
gesellschaftlichen Strukturen die Konflikte angelegt, die zu
Abweichung führen. Diese beiden Perspektiven zusammen zu führen ist
das Anliegen der vom Autor vorgelegten »Kriminologie mit
psychoanalytischem Blick«.
2. Zu Konturen einer Zusammenschau. Das Kapitel benennt die für die
folgenden Ausführungen relevanten Theoriebezüge: kriminologische
Typenlehre, sozialwissenschaftlich-kriminologische Beiträge zur
gesellschaftlichen Bedeutung individuell abweichend-straffälligen
Verhaltens, psychoanalytische Theorien zur Persönlichkeit und zur
sozialen Struktur der Delinquenz und des Strafens, der Beitrag der
Bindungsforschung, ethnopsychoanalytische Überlegungen zur
Beziehung von Psyche und Gesellschaft und biografieanalytische
Aspekte, welche als individuelle Entwicklung in konkreten sozialen
Bezügen (Familie) verstanden werden. Möhring reißt die
entsprechenden Theoriebezüge in diesem Kapitel lediglich an, als
Kontur einer psychosozialen Kriminalitätstheorie, welche in den
folgenden Abschnitten entwickelt wird.
3. Kriminologie und Psychoanalyse. Beide Wissenschaften
beschäftigen sich mit der Struktur von Individuen und von
Gesellschaften und ihrem Verhältnis zueinander. In dieser
gemeinsamen Ausgangslage sieht Möhring eine Verbindung von
sozialwissenschaftlicher Kriminologie und Psychoanalyse angelegt,
deren jeweilige Theoriebestände er zusammen führen möchte.
Unbewusste Konflikte in der Person und strukturelle Probleme in der
Persönlichkeit führen zu konkretem Verhalten, unter Umständen zu
abweichendem Verhalten und zu Kriminalität, die demnach ein Symptom
für psychische Konflikte darstellt. Möhring erschließt diesen
psychoanalytischen Basisansatz für die Kriminologie und zeichnet
die Entwicklung kriminologisch relevanter Ansätze in der
Psychoanalyse von Freud über Franz Alexander und Hugo Staub, bis
hin zu aktuelleren Ansätzen bei Udo Rauchfleisch, Wolfgang Berner,
Friedemann Pfäfflin oder Lorenz Böllinger nach, wobei die
Ausführungen auch hier zunächst im konturenhaften bleiben. Aus eher
sozialpsychologischer Perspektive nennt Möhring
Zuschreibungsprozesse der Gesellschaft an »den Verbrecher«, der in
seiner Rolle definiert und fixiert wird, wodurch wiederum
unbewusste Anteile der Gesellschaft auf die Täterpersönlichkeit
projiziert werden. Abschließend gibt Möhring einen Überblick zu
aktuellen Bezugnahme der Psychoanalyse auf das Gebiet der
Straffälligenarbeit, wobei es hier meist mit der Benennung der
jeweiligen Literaturquellen (z. B.
www.socialnet.de/rezensionen/5141.php) bleibt.
4. Neuere psychoanalytische Ansätze in der Kriminologie. Die im
vorangegangenen Kapitel angerissenen neueren Publikationen werden
in diesem Abschnitt ausführlicher dargestellt. Insbesondere ein
umfassendes Werk zur psychodynamischen Psychotherapie bei
Delinquenz (herausgegeben von Lackinger et al. 2008) erfährt hier
Beachtung. Vertreten wird hier ein übertragunsfokussierter Ansatz,
der insbesondere Bindungs- und Mentalisierungsprobleme
berücksichtigt, bzw. diese als ursächlich für die
Delinquenzentstehung, als Ausdruck einer Psychopathologie
aufgreift. Dabei gilt in diesem Konzept der Grundgedanke, dass »der
Delinquent [einen] für ihn unerträglichen und nicht assimilierbaren
Selbstanteil [externalisiere], indem er die Reaktion des
Staatsapparates aktiviere, was aus seiner Sicht einer projektiven
Identifizierung entspreche« (35). Delinquenz ist demnach Ausdruck
einer destruktiven Objektbeziehung, die als vom Täter ausgehende
Tat und als gesellschaftliche Reaktion (Bestrafung) darauf in zwei
Richtungen aktiv ist. Als weitere wichtige Konzepte werden die
Mentalisierungstheorie von Peter Fonagy und Überlegungen zur
Deliktdynamik und psychischen Struktur von Fritz Lackinger
eingeführt, zwei Konzepte die auf den Zusammenhang psychischer
Merkmale und Delinquenz eingehen.
5. Kriminalität und Gewalt aus psychoanalytischer und
soziologischer Perspektive. Möhring führt in diesem Abschnitt knapp
in das psychoanalytische Aggressionskonzept und die Bindungstheorie
ein. Aggression als angeborene Verhaltensoption müsse im
sozialisatorischen Prozess »verlernt« werden, wobei die
Bindungsform (Bindungsbedürfnis und -sicherheit und -muster,
Empathie) eines Menschen eine wesentliche Grundlage dafür
schafft.
6. Kriminalität und Familie. Der Schwerpunkt des Kapitels liegt in
der psychoanalytischen Familiendynamik und deren Bedeutung für die
Kriminalitätsentstehung. Möhring führt in die Aspekte des
Generationenkonflikts, familiäre Rollenzuweisungen, den
Bindungsmodus, Differenzierung und Adaption ein und leitet daraus
Überlegungen zur Kriminalitätsentstehung ab, was teilweise anhand
von knappen Beispielen konkretisiert wird. Familie wird hier als
»eigenständiger Wirkfaktor … auch als Gegenstand gesellschaftlicher
Wirkung betrachtet, sie steht gewissermaßen zwischen dem Individuum
und der Gesellschaft … verbindet und verdichtet … Psychisches und
Soziales« (68). Mit Verweis auf die Münsteraner
Jugendkriminalitätsstudie (aus dem Jahr 2000) werden Überlegungen
zur Familienpathologie und der möglicherweise damit in Zusammenhang
stehenden Entwicklung jugendlicher Kriminalitätsformen
formuliert.
7. Das Verhältnis von Psychologie und Sozialwissenschaften. Viele
Kriminalitätstheorien weisen Überlappungen unterschiedlicher
wissenschaftlicher Disziplinen, etwa aus Soziologie, Psychologie
und Medizin auf. Das Verhältnis von Psychoanalyse und Kriminologie
sieht Möhring als »Spezialfall des Verhältnisses von Psychologie
und Sozialwissenschaften« (73) und wirbt für einen biopsychosozial
integrierenden Ansatz, der die Beiträge der Bezugswissenschaften
gewichtet und miteinander verbindet. Als Lösung für diese Aufgabe
schlägt Möhring die Ethnopsychoanalyse als Verbindung von
Psychoanalyse und Sozialwissenschaften vor, in deren Grundzüge in
diesem Kapitel eingeführt wird. Möhring konzipiert die
Ethnopsychoanalyse als Zusammenschau von »individuellen, inneren
und gesellschaftlichen, äußeren Verhältnissen und richtet ihren
Blick auf das Zusammenspiel von unbewussten Prozessen im Individuum
und in der Gesellschaft« (73).
8. Sozialwissenschaftliche Kriminalitätstheorien. Das Kapitel
beansprucht nicht, einen Überblick sozialwissenschaftlicher
Kriminalitätstheorien zu geben, sondern fokussiert auf die
kriminologische Theorie der sozialen Kontrolle und der sozialen
Bindung von Travis Hirschi, die Weiterentwicklung des
Labeling-Ansatzes (etwa durch Fritz Sack in Deutschland) und vor
allem Lebensweltorientierte Ansätze zur Kriminalitätsentstehung
(genannt wird u. a. die Arbeit von Hess und Scheerer), welche
gesellschaftliche Zuweisungsprozesse und individuelle
Verarbeitungsmuster miteinander verbinden. Dieser Ansatz wird,
unter Bezugnahme auf Lorenz Böllinger mit dem Konstrukt des
»psychoanalytischen dialektischen Konstruktivismus« (101) weiter
ausformuliert, wobei auf vier Ebenen die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen, die individuelle Konstruktion einer spezifischen
sozialen Realität (als individuelle kognitive Leistung), unbewusste
Anteile (des Individuums und des Kollektivs) und als vierte
eigenständige Ebene die Verarbeitung der zuvor genannten Aspekte
genannt werden. Kriminalität ist demnach ein Produkt individuell
und gesellschaftlich konstruierter Realität, welche in Abhängigkeit
der in diesen vier Kategorien wirkenden Kräfte steht. Dieses
Konstrukt wird im weiteren Text anhand von sozial-individuellen
Prozesses (z. B. Schuld, Ausgrenzung) vertieft und
ausformuliert.
9. Abweichendes Verhalten aus psychoanalytischer Perspektive.
Abweichendes Verhalten wird in der Psychoanalyse als
Symptombildung, als Ausdruck einer Psychopathologie betrachtet.
Möhring gibt in diesem Abschnitt einen knappen Überblick zur
psychoanalytischen Theorie und zu entwicklungspsychologischen
Prozessen, die Abweichungen des Individuums von einer Mehrheit
begünstigen, bzw. bedingen.
10. Kriminelle Geschichten. Das zehnte Kapitel beinhaltet vier
Fallvignetten, welche den Zusammenhang zwischen psychischen und
sozialen, zwischen bewussten und unbewussten, strukturellen und
zufälligen Faktoren bei Entstehung und Verlauf von Kriminalität
darstellen. Die vier Kurzbiografien machen deutlich, dass es sich
bei der Entstehung kriminellen Verhaltens um ein aufgeschichtetes
Prozessgeschehen handelt, in dem eine Vielzahl von Einzelfaktoren
aus unterschiedlichen Ebenen (Körper, Psyche, Soziales) miteinander
in Berührung kommen und eine Entwicklung hin zur Delinquenz
begründen (können), wodurch die Ausführungen aus der
vorangestellten Kapitel am konkreten Fall noch einmal nachvollzogen
werden können.
11. Psychoanalyse, Recht und Rechtspsychologie. Recht ist ein
umfassend definierter (und zu definierender) Begriff, der jenseits
definierter Normen den Aspekt des tatsächlich praktizierten Rechts,
des Rechtsempfindens, die Bindung an rechtliche Normen etc.
beinhaltet. Möhring fächert in diesem Kapitel den Beitrag der
Psychoanalyse zum Verhältnis von gesellschaftlichem Recht und
individueller Bindung an rechtlichen Normen auf, wobei er sich mit
dem Autonomieaspekt (des Individuums) des Psychoanalytikers und
Philosophen Cornelius Castoriadis und dem Komplex der Schuld und
Schuldgefühle auseinandersetzt. Kriminalität ist demnach Ausdruck
einer fehlenden Identität mit einem gesellschaftlichen System (und
dessen als zu eng empfundenen Rechtsrahmens), oder Ausdruck eines
persönlichen Egoismus, sich über eine gesellschaftliche Norm zu
stellen und sich so einer gesellschaftlichen Verpflichtung zu
entziehen. Schuld und Schuldgefühle werden in diesem Kontext als
externe Zuschreibung und als Ausdruck der inneren Konflikte
(zwischen Anpassungserwartung und inneren Bedürfnissen)
definiert.
12. Zu wessen Nutzen? Möhring fragt in diesem Abschnitt nach dem
Nutzen der bis dahin ausgeführten Überlegungen. Die Einführung der
Dimension des Unbewussten als Zugangsmöglichkeit für die
Kriminologie begreift der Autor hier vorwiegend auf praktischer
Ebene, als Interventionsweg in der Auseinandersetzung mit
Kriminalität und kriminellen Menschen. Er wirbt hier für ein
psychodynamisches Psychotherapieverständnis und erweitert die
Interventionsebene auf soziale Systeme, z. B. Familien
(Psychoanalytische Familientherapie), oder Gefangenengruppen im
Straf- und Maßregelvollzug (Sozialtherapie).
13. Eine praxistaugliche Kriminalitätstheorie? Inwiefern taugen die
komplexen, auch komplizierten (i. S. von nicht-einfachen)
Überlegungen zu einer psychoanalytisch konnotierten Kriminologie in
der Praxis? Ist eine angewandte »Kriminologie mit
psychoanalytischem Blick« überhaupt möglich, d. h. umsetzbar?
Möhring beantwortet diese Frage folgendermaßen: »Unter keinen
anderen Bedingungen wird der Blick so umfassend, wie wenn man den
Gegenstand der Betrachtung als in einem Prozessgeschehen begriffen
mittels Individualpsychologie, Objektbeziehungen und familiärer
Dynamik sowie der sozialen und kulturellen Einbettung
konzeptualisiert und dabei für jede dieser Ebenen einen
umgreifenden negativ präsenten unbewussten Raum annimmt, aus dem
Motive für Emotion, Handlung und Hemmung wirksam werden.
Praxistauglich ist dies insofern, als es verspricht, die
Fehlerquellen für mögliche Entscheidungen soweit es geht zu
reduzieren« (182). Der praktische Nutzen, und das führt Möhring
hier aus, reicht vom Symptomverständnis, über die Unterscheidung
und Kategorisierung von Tätern nach Persönlichkeits- und
Deliktgruppen (mit erneutem Verweis zu Lackinger et al. 2008) bis
schließlich hin zu therapeutischen Interventionsstrategien.
14. Ausblick. Im Schlusskapitel wird das Verständnis von
Kriminalität, der Kampf gegen Kriminalität als eine
gesellschaftliche Aufgabe konzeptualisiert. Deren Gelingen hängt
davon ab, ob es möglich ist dem »Phänomen des Verbrechens wie der
Person des Delinquenten mit verstehender Absicht entgegenzutreten«
(199) und Interventionen zu begründen, die den Täter nicht (weiter)
ausschließen, sondern so weit wie möglich integrieren.
Zielgruppe
Lohnenswert für alle Berufsgruppen, die mit straffällig gewordenen
Menschen arbeiten und die für den Beitrag der Psychoanalyse in
diesem Feld offen sind, bzw. sich öffnen möchten; für
vorangeschrittene Studierende der entsprechenden Studiengänge, die
über Grundkenntnisse im Bereich Kriminologie und Psychoanalyse
verfügen.
Diskussion
Die von Peter Möhring vorgelegte Kriminologie mit
psychoanalytischem Blick führt die bislang weitgehend losen Enden
sozialwissenschaftlicher Kriminologie und der Psychoanalyse
zusammen. Dadurch entsteht eine mehrperspektivische Konzeption, ein
differenziertes Kriminalitätsverständnis, dass dem Umstand gerecht
wird, dass Kriminalität ein prozesshaftes, von sozialen und
individuellen Aspekten bedingtes Geschehen ist. Dadurch erfährt die
Weiterentwicklung integrativer Kriminologiedefinitonen einen
wertvollen Beitrag, vor allem dadurch, dass unbewusste Kräfte der
einzelnen Akteure, aber auch in der Gesellschaft benennbar gemacht
werden und so einer Bearbeitung zugänglich gemacht werden. Es ist
das Verdienst Peter Möhrings den Versuch gewagt zu haben
perspektivisch stark unterschiedliche Theorien und Anwendungsbezüge
miteinander in Bezug zu setzen und zu integrieren. Auch wenn die
vielfältigen Bezugnahmen auf Theorien und Konzepte teilweise nur
angerissen werden, ergibt sich aus der Lektüre ein guter Überblick
zu den Chancen einer Integration von soziologischer Kriminologie,
Psychoanalyse und Kulturtheorie und teilweise Philosophie. Die im
Text enthaltenen Literaturhinweise ermöglichen Interessierten eine
selbständige Vertiefung einzelner Aspekte. Beachtlich ist die
sprachliche Leistung: Peter Möhring versteht es die komplexe
Materie seines Werks so zu formulieren, dass auch fachlich wenig
vorgebildete Leser profitieren werden. Die komplexen
Theoriebestände werden in einem eigenen Kapitel durch exemplarische
Fallvignetten ergänzt, wodurch die Übertragung der theoretischen
Überlegungen in praktische Zusammenhänge ermöglicht wird und welche
realen Chancen sich für die Behandlungsplanung daraus ergeben. Die
von Peter Möhring vorgeschlagene psychoanalytische familien- und
sozialtherapeutische Interventionsperspektive wird im vorliegenden
Band lediglich angedeutet, wurde vom Autor allerdings an anderem
Ort (Möhring & Neraal 2014) ausführlich vorgestellt; dort
allerdings ohne Anwendungsbezüge für die Arbeit mit straffälligen
Menschen.
Fazit
Ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Phänomens Kriminalität.
Der Autor hat ein Stück Pionierarbeit geleistet um die bislang
nebeneinander stehenden Perspektiven aus Sozialwissenschaften und
Psychoanalyse miteinander zu verbinden, womit ein wichtiger Schritt
hin zu einer sozio-psycho-somatischen Kriminologie gemacht ist.
Unbedingt Lesenswert!
Literatur
Lackinger, F.; Dammann, G. & Wittmann, B. (2008) (Hrsg.).
Psychodynamische Psychotherapie bei Delinquenten. Stuttgart:
Schattauer
Moring, P. & Neural, T. (2014) (Hg.). Psychoanalytisch orientierte
Familien- und Sozialtherapie. Das Gießener Konzept in der Praxis.
Gießen: Psychosozial-Verlag
Rezensent
Dr. phil. Gernot Hahn
Dipl. Sozialpädagoge (Univ.), Sozialtherapeut
Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen
Homepage www.gernot-hahn.de
Zitiervorschlag
Gernot Hahn. Rezension vom 07.01.2015 zu: Peter Möhring:
Verbrecher, Bürger und das Unbewusste. Psychosozial-Verlag (Gießen)
2014. 209 Seiten. ISBN 978-3-8379-2356-8. In: socialnet
Rezensionen, ISSN 2190-9245,
http://www.socialnet.de/rezensionen/17449.php, Datum des Zugriffs
23.01.2015.
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