Rezension zu Sterben im Krankenhaus (PDF-E-Book)
a+b Für Arbeit und Besinnung Nr. 22, 15. November 2014
Rezension von Ursula Schmitz-Böhmig
Wolfgang George, Eckhard Dommer, Viktor R. Szymczak (Hgg.), Sterben
im Krankenhaus.
»So wie die allermeisten Menschen in den modernen Gesellschaften
das Licht der Welt im Krankenhaus erblicken, sollte dies auch ein
guter Ort sein, die Augen für immer zu verschließen.« (Einleitung,
S. 11) Das ist Anspruch und Anliegen der 21 Autorinnen und Autoren
dieses Buches. Es sind Pflegeexpertinnen, Mediziner,
Psychologinnen, Soziologen, Gesundheitsökonomen, Pädagogen,
Medizinethiker und Juristen, die aus ihrem je eigenen Blickwinkel
heraus an dieser aktuellen Bestandsaufnahme zum Thema »Sterben im
Krankenhaus« gearbeitet haben. Vom Hospiz über die Intensivstation,
die Palliativstation bis zur Administration und die »Entlassart
Tod« im DRG-System und zum Problem, die vermehrt demenziell
Erkrankten in die »lösungsorientierte Gesundheitsindustrie«
einzugliedern (s. Kapitel: Chaos und Kontrolle!), bietet sich ein
Mosaik der gegenwärtigen Situation Sterbender und derer, die sich
in unseren Kliniken um sie kümmern. Um es vorweg zu sagen: Nichts
ist darin neu für die unter uns, die täglich als Seelsorgerinnen
für eine bessere Sterbekultur in ihren Häusern einstehen. In diesem
Bemühen werden wir allerdings durch einige der Beiträge gestärkt,
sofern wir wissenschaftliches Material brauchen, um unser Anliegen
zu untermauern, und nicht unseren schlichten Menschenverstand und
vor allem unser Herz allein sprechen lassen wollen. Denn das
Kernstück des Buches bilden die Ergebnisse der »Gießener Studie zu
den Sterbebedingungen in deutschen Krankenhäusern« von 2013. Eine
ähnliche Studie wurde bereits vor 25 Jahren durchgeführt, die
Ergebnisse der Befragungen lassen sich gut vergleichen und der
Entwicklungsprozess dadurch profund beurteilen. Beteiligt haben
sich 212 Krankenhäuser und mehr als 1.400 Mitarbeiterinnen aus
allen Bundesländern. Aus dem vielen, was bei der Studie erhoben
wurde, wird insgesamt eine Verbesserung in beinahe allen Bereichen
der psychosozialen und medizinisch-pflegerischen Erfordernissen
festgestellt (z. B. die Integration von Angehörigen, Aufklärung und
Schmerztherapie) – allerdings auf noch verbesserungswürdigem
Niveau« (S. 93). Verschlechtert hat sich allerdings die Häufigkeit
unnötiger lebensverlängernder Interventionen und die fehlende Zeit,
in der sich Pflegende und Ärzte sterbenden Menschen angemessen
widmen können. Wer die aktuelle Diskussion um Pflegenotstand und
Medizinethik verfolgt, findet sich durch diesen Befund gestärkt.
Außerdem: Es wird trotz leichter Verbesserung gegenüber 1988 der
Mangel an Seelsorgerinnen für die Betreuung Sterbender von immerhin
noch 35 % der Befragten beklagt!
Dieses Buch ist sicher nur für Kollegen hilfreich, die Insider
sind. Im Gespräch mit Chefärzten, Klinikdirektoren und sicher auch
in der Arbeit in Klinischen Ethikkomitees bietet es Stichworte und
belastbare Zahlen, um das Anliegen einer besseren Sterbekultur zu
unterlegen. Ob das allerdings in der gegenwärtigen Lage im
Gesundheitssystem wirklich Gewicht hat, bleibt für mich leider
fragwürdig.
Ursula Schmitz-Böhmig,
Klinikseelsorge, Sindelfingen